Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Klaus Bader, Karsten Kühnle / § 13

§ 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.

(2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen.

(3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

 

1) Bevorzugte Rechtsform unternehmerischer Betätigung in Deutschland

a) Historie und zahlenmäßige Verbreitung der GmbH

1Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist eine Erfindung des deutschen Gesetzgebers von 1892. Die GmbH sollte im Gegensatz zur Aktiengesellschaft (AG) kein Publikumskapital anziehen und als kleine und einfache Kapitalgesellschaft mit Haftungsbeschränkung („GmbH als kleine Schwester der AG“) zur Stärkung der Wirtschaftskraft beitragen, was mit großem Erfolg gelungen ist. Die GmbH ist die mit Abstand beliebteste Rechtsform in Deutschland. Das Modell der GmbH findet sich mittlerweile mit geringen Nuancen in nahezu sämtlichen Rechtsordnungen wieder.
Per 1. Januar 2019 waren 1.145.476 Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) in Deutschland registriert. Im Vergleich zu anderen Kapitalgesellschaften wie der AG, Europäischen Aktiengesellschaft (SE) oder Unternehmergesellschaft (UG) und Personengesellschaften wie der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und Kommanditgesellschaft (KG einschließlich GmbH & Co. KG) sowie eingetragenen Kaufleuten (e.K.) ist die GmbH seit Jahren eindeutiger Favorit unternehmerischer Betätigung.

b) Vorteile der GmbH

2Gründe für die Beliebtheit der GmbH im Vergleich zu anderen Rechtsformen sind:

• Starke Stellung der Gesellschafter: Diese können den Geschäftsführern Weisungen erteilen und verfügen über weitgehende Einsichts- und Kontrollrechte.

• Einfacher Gründungsvorgang: Notare und Handelsregister sind in der GmbH-Gründung erprobt und das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sieht ein vereinfachtes Gründungsverfahren samt Mustergründungsprotokoll für weniger komplexe Gründungsvorgänge vor (§ 2 Absatz 1a)); daneben besteht die Möglichkeit zur Nutzung so genannter Vorrats-GmbHs.

• Einpersonengründung: Eine GmbH kann durch eine Person allein gegründet werden (§ 1 GmbHG).

• Haftungsbeschränkung: Gläubigern gegenüber besteht grundsätzlich nur eine Haftung in Höhe des Gesellschaftsvermögens. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber Gläubigern der Gesellschaft besteht nur im Ausnahmefall.

• Zweckfreiheit: Eine GmbH kann zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden (§ 1 GmbHG). Nur wenige Tätigkeiten in der Rechtsform der GmbH sind untersagt.

• Flexibilität in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags: Dieser lässt sich nach den Bedürfnissen der Gesellschafter weitestgehend frei gestalten (Satzungsautonomie). Im Gegensatz zur AG besteht keine so genannte Satzungsstrenge.

• Rechtssicherheit: Es besteht ein hoher Grad an Rechtssicherheit. Das GmbH-Recht ist weitestgehend gesetzlich geregelt und seit Jahrzehnten von der Rechtsprechung durchdrungen.

• Qualifikation: Von wenigen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, bedürfen Geschäftsführer keiner speziellen Qualifikation, z.B. in betriebs- und finanzwirtschaftlichen Fragestellungen.

• Frauenquote: Nur für den Fall, dass die Gesellschaft der Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegt und ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, besteht eine Frauenquote im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern.

c) Auslandsinvestments

3Aufgrund der zuvor beschriebenen Vorteile ist die Rechtsform der GmbH gerade auch bei ausländischen Investoren, die unternehmerische Aktivitäten in Deutschland verfolgen, beliebt. Hinzu kommt, dass das GmbH-Gesetz nicht verlangt, dass Gesellschafter oder Geschäftsführer der GmbH in Deutschland ansässig sein müssen oder gar die deutsche Nationalität besitzen müssen; freilich erforderlich ist eine inländische Geschäftsanschrift der GmbH. Ferner reicht die Bestellung eines einzigen Geschäftsführers der Gesellschaft aus. Der Verwaltungssitz (nicht: der Satzungssitz) der GmbH kann auch im Ausland belegen sein (§ 4a GmbHG). Die GmbH findet sich daher häufig als Rechtsform für einen Marktzugang ausländischer Unternehmen und Investoren, als Konzerngesellschaft deutscher oder ausländischer Konzernmütter oder auch als Konzern-Holding-GmbH.

d) Typenvielfalt der GmbH

4Ausgehend davon, dass die GmbH zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden kann und der Gesellschaftsvertrag der GmbH weitestgehend frei von den Gesellschaftern gestaltet werden kann, finden sich in der Praxis verschiedenste Typen der GmbH. Eine wirtschaftliche Zielsetzung der GmbH ist typisch, aber von Gesetzes wegen nicht erforderlich.

Typus Komplexität des Gesellschaftsvertrags
Einmann-GmbH gering
Mehrpersonen-GmbH (nicht mitbestimmt) mittel
Joint Venture GmbH mit Minderheits-/Mehrheits- oder Pari-Beteiligung hoch
Familien-GmbH mit Regelungen zum Erhalt der Familienbindung hoch
Komplementär-GmbH (persönlich haftende Gesellschafterin der KG) gering
GmbH mit Unternehmensmitbestimmung (Aufsichtsrat) mittel
Konzern-GmbH (Konzerntochter, Konzernholding) mittel
e) Wesensmerkmale der GmbH

5Prägend für die Rechtsform der GmbH sind die folgenden Wesensmerkmale:

• Die GmbH ist juristische Person: Sie entsteht durch Eintragung in das Handelsregister; die Eintragung wirkt konstitutiv. Sie ist eigenständiges, von ihren Gesellschaftern grundsätzlich unabhängiges, Rechtssubjekt, d.h. rechtsfähiger Adressat von Rechten und Pflichten. Ihre Rechtsfähigkeit erlischt mit Löschung aus dem Handelsregister oder im Fall einer Verschmelzung auf andere Rechtsträger.

• Die GmbH ist eigenständiges Vermögenssubjekt: Das Vermögen der GmbH ist vom Vermögen der Gesellschafter getrennt zu behandeln (Trennungsprinzip). Die GmbH haftet ihren Gläubigern gegenüber unbegrenzt mit ihrem Gesellschaftsvermögen.

• Haftungsprivileg der Gesellschafter: Ein direkter Zugriff der Gesellschaftsgläubiger auf das Privatvermögen der Gesellschafter ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht möglich. Die Gesellschafter müssen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich nur in Höhe ihrer Einlage einstehen. Die GmbH wird daher auch als „Gesellschaft ohne Außenhaftung der Gesellschafter“ beschrieben.

• Gläubigerschutz: Um Gläubiger der GmbH vor unberechtigten Eingriffen der beschränkt haftendenden Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zu schützen, enthält das GmbH-Gesetz ein dezidiertes Kapitalschutzsystem mit Regelungen zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Das Stammkapital der GmbH ist vom Eigenkapital der GmbH zu unterscheiden. Die Stammkapitalziffer (Mindestsumme 25.000 EUR) zeigt nur an, welches Kapital von den Gründungsgesellschaftern zum Zeitpunkt der Gründung zu erbringen war. Das Stammkapital ist keine garantierte Haftungsmasse zugunsten der Gläubiger; Verluste der Gesellschaft oder gar unberechtigte Entnahmen der Gesellschafter können das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer drücken oder zu einer Überschuldung der Gesellschaft führen.

• Die GmbH handelt durch ihre Organe. Organe der GmbH sind die Geschäftsführer. Geschäftsführer und Gesellschafter (Eigentümer) können, müssen aber nicht identisch sein (Fremdorganschaft, § 6 Absatz 3 GmbHG).

• Die GmbH ist Kaufmann kraft Rechtsform; mit der Eintragung in das Handelsregister erwirbt die GmbH die Kaufmannseigenschaft (§ 13 Absatz 3 GmbHG). Damit finden die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) unmittelbare und vollumfängliche Anwendung auf die GmbH.

f) Persönliche Haftung der Gesellschafter

6Wie bereits erwähnt, kommt ein Haftungsdurchgriff, d.h., eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (abgesehen von einer vertraglichen Übernahme der Haftung, z.B. mittels persönlicher Bürgschaft oder sonstigen Sicherheiten) nur in wenigen AusnahmefällenSiehe im Detail unten 'Expertenhinweise'   in Betracht.

g) Typische Kompetenzverteilung in der GmbH

7Die Kompetenzverteilung innerhalb der GmbH lässt sich vereinfacht wie auf folgendem Schaubild illustriert darstellen. Die Illustration unterscheidet zwischen dem einfachen Standardmodell und dem etwas komplexeren Beiratsmodell. Letzteres findet sich häufig, um Experten oder Familienmitglieder an der Entscheidungsfindung (sei es beratend und/ oder kontrollierend) in der Gesellschaft mitwirken zu lassen. Beschäftigt die GmbH regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer und ist daher ein Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz zu errichten, tritt dieser als Überwachungsorgan an Stelle des Beirats. 

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82) Abgrenzung zu anderen gängigen Rechtsformen mit beschränkter Haftung

  GmbH (Standard) GmbH & Co. KG AG
Tagesgeschäft Geschäftsführer Geschäftsführer (Komplementär) Vorstand
Erteilung Zustimmung zustimmungspflichtige Geschäfte Gesellschafter Gesellschafter Aufsichtsrat
Kontrolle Management Gesellschafter Gesellschafter Aufsichtsrat
Verbreitung in Deutschland
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Marktwahrnehmung Inhabergeführte Unternehmen Familienunternehmen Große börsennotierte Konzerne
Management Struktur Einfach Mehrstufig Dualistisch
Einfluss Gesellschafter auf Tagesgeschäft
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Entscheidungsautonomie Geschäftsführung
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Komplexität der Gründung
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Verwaltungsaufwand
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Stamm-/Grundkapital € 25k € 25k (Komplementär) € 50k

 

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

1) Einleitung

9Die Vorschrift des § 13 GmbHG ist eine der zentralen Vorschriften des GmbHG. Zwar enthält das GmbHG keine Legaldefinition der GmbH wie dies beispielsweise für die oHG (§ 105 HGB) und KG (§ 161 HGB) der Fall ist. Aus dem Zusammenspiel von § 13 und § 1 GmbHG ergeben sich aber die folgenden, wesensprägenden Merkmale: (i) die GmbH kann zu jedem gesetzlichen zulässigen Zweck gegründet werden; (ii) eine oder mehrere Personen können als Gründer beteiligt sein; (iii) die GmbH ist juristische Person; (iv) die GmbH ist Handelsgesellschaft ist; und (v) für Verbindlichkeiten der GmbH haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen.

2) Wesensprägende Merkmale der GmbH

a) Einpersonengründung

10Die GmbH kann durch eine Person alleine oder durch mehrere Personen gegründet werden (§ 1 GmbHG).Die Zulassung der Einpersonen-Gründung erfolgte 1980 mit der GmbH-Novelle (Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften v. 4.7.1980, BGBl. I 836) In der Praxis dominiert die Einpersonen-GmbH; ungefähr 60 Prozent bestehen als Einpersonen-GmbH.Saenger in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, Einführung Rn. 17 m.w.N. Generell zur zahlenmäßigen Verbreitung der GmbH, Kornblum, GmbHR 2020, 677 (Stand 1.1.2020) Das GmbHG trägt diesem Umstand Rechnung und sieht verschiedene Sonderregelungen für die Einpersonen-GmbH vor, z.B. § 35 Absatz 3 S. 1 (Anwendung des § 181 BGB sofern der Alleingeschäftsführer auch Alleingesellschafter ist), § 35 Absatz 3 S. 1 (Erfordernis der Niederschrift für Geschäfte zwischen dem Alleingesellschafter und der GmbH), § 48 Absatz 3 (unverzügliche Niederschrift nach Beschlussfassung).

b) Zweckfreiheit

11Die GmbH kann zu jedem beliebigen Zweck gegründet werden (§ 1 GmbHG). Die GmbH ist aus diesem Grund und angesichts der weitreichenden Satzungsautonomie flexibel als „Allzweckinstrument im Rechtsverkehr“ einsetzbar.Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 1 Rn. 3 Für einen größeren Zusammenschluss mit wechselndem Mitgliederbestand wird allerdings die Rechtsform des eingetragenen oder nichteingetragenen Vereins in der Regel besser geeignet sein, weil § 15 GmbHG die Übertragung von GmbH-Anteilen erschwert.MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 1 Rn. 25-27 Das GmbHG unterscheidet zwischen dem Zweck der Gesellschaft und dem Gegenstand des Unternehmens (§ 3 GmbHG). Der Unternehmensgegenstand konkretisiert den Gesellschaftszweck, der typischerweise in der Gewinnerzielung besteht, aber atypischer Weise auch ideeller oder gemeinnütziger Natur sein kann.

c) Juristische Person

12Die GmbH ist juristische Person des Privatrechts. Als solche ist sie von ihren Gesellschaftern und deren Bestand bzw. Wechsel losgelöst; die Gesellschafter sind allerdings vermögensrechtlich über den Geschäftsanteil und korporativ durch ihren Einfluss auf die Geschäftsführung beteiligt.Creifelds, Rechtswörterbuch, 24. Edition 2020 Als juristische Person verfügt die GmbH über eigene Rechtsfähigkeit, die sie (erst) mit Eintragung in das Handelsregister erlangt (§ 11 Absatz 1 GmbHG). Als juristische Person stehen der GmbH sämtliche Rechte und Pflichten zu, die nicht ausdrücklich oder durch ihren Inhalt auf natürliche Personen beschränkt sind.Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 2-6 Die in § 13 Absatz 1 GmbHG genannten Rechtspositionen sind nur beispielhaft und nicht etwa abschließend zu verstehen.

d) Handelsgesellschaft

13Die GmbH gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs, § 13 Absatz 3 GmbHG. Als Formkaufmann ist die GmbH immer Handelsgesellschaft und zwar unabhängig von ihrem konkreten Unternehmensgegenstand, selbst wenn sie kein Gewerbe betreibt.Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 18 Demgegenüber sind die Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH nicht ohne Weiteres als Kaufleute zu qualifizieren.MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 326-330 m.w.N Aus § 6 Absatz 1 HGB folgt, dass das erste Buch (Handelsstand), dritte Buch (Handelsbücher) und vierte Buch (Handelsgeschäfte) des HGB auf die Gesellschaft anwendbar sind. Als Formkaufmann ist die GmbH ferner stets Unternehmer im Sinne des § 14 BGB.

e) Haftungsbeschränkung
aa) Juristische Person, Trennungsprinzip

14Als juristische Person ist die GmbH unabhängig von ihren Gesellschaftern zu betrachten (Trennungsprinzip) – sie hat eigenstände Rechtsfähigkeit und ist eigenständiges Vermögenssubjekt. Konsequenz dessen ist die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter gemäß § 13 Absatz 2 GmbHG. Gläubiger der GmbH können, von Ausnahmen abgesehen, nicht auf das Privatvermögen der Gesellschafter der GmbH zugreifen, die grundsätzlich nur in Höhe ihrer Einlage haften. Aus wirtschaftspolitischer SichtEingehend zur Entstehung und Entwicklungslinien der GmbH siehe Fleischer in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, Rn. 50ff , soll die Haftungsbeschränkung dazu motivieren, das Risiko unternehmerischen Handelns einzugehen und hierdurch zu Wohlstand, Beschäftigung, Wettbewerb und Innovation beizutragen.Schubert, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1ff.; Wicke, MittBayNot 2011, 23ff Dem Spannungsverhältnis zwischen unternehmerischer Freiheit im Schutz der Haftungsbeschränkung und den Interessen der Gläubiger der Gesellschaft an der Einbringbarkeit ihrer Forderungen begegnet das GmbHG mittels weitgehenden Kapitalaufbringungs- (z.B. § 7 Absatz 2; § 8 Absatz 2; § 9, § 14, § 19 Absatz 2; § 21 GmbHG) und Kapitalerhaltungsregelungen (z.B. §§ 30, 31 GmbHG). Flankiert werden diese durch die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleiter im Fall der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§§ 15a, 17, 19 InsO).

bb) Durchbrechungen des Trennungsprinzips: Durchgriff

15Die mit dem Trennungsprinzip verbundene Haftungsbeschränkung der Gesellschafter der GmbH gilt nicht ohne Einschränkungen. Bei Vorliegen ganz besonderer Umstände wird die in § 13 Absatz 2 GmbHG normierte Haftungsbeschränkung der Gesellschafter durchbrochen, d.h., es erfolgt ein Durchgriff auf die hinter der GmbH stehenden Gesellschafter (Hinwegdenken der juristischen PersonRehbinder, FS R. Fisher, S. 581, 583 , so genannte DurchgriffshaftungBGH, Urteil vom 8.7.1970, NJW 1970, 2015 ), die dadurch zum Haftungsadressat für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft werden. Je nach Rechtslage kann diese Haftung der Gesellschafter als Außenhaftung sowie als Innenhaftung bestehen. Die dogmatische Begründung des Haftungsdurchgriffs durch die Rechtswissenschaft ist noch nicht abgeschlossen.Eingehend zur Durchgriffshaftung der Gesellschafter und ihren dogmatischen Grundlagen siehe MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 377-386; die Begrifflichkeiten sind im Fluss, vgl. dazu BeckOK GmbHG/Wilhelmi, 45. Ed. 1.2.2020, GmbHG § 13 Rn. 137-140 Die Rechtsprechung hat sich bislang keiner der in der rechtswissenschaftlichen Literatur entwickelten Theorien explizit angeschlossen. Sie stützt den Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter auf das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der BGH führt in diesem Zusammenhang aus: „Über die Rechtsform einer juristischen Person darf nicht leichtfertig oder schrankenlos hinweggegangen werden.“BHG, Urteil v. 30.1.1956 (unter Verweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts), NJW 1956, 785 ; „Eine Ausnahme muss jedoch dann gelten, wenn die Anwendung dieses Grundsatzes zu Ergebnissen führen würde, die mit Treu und Glauben nicht in Einklang stehen, und wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen den juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen einen Rechtsmissbrauch bedeutet.“BGH, Urteil v. 8. 7. 1970, NJW 1970, 2015 Mittlerweile hat sich eine fallgruppenorientierte Betrachtungsweise herausgebildet, wohl auch um die Schwierigkeiten in der Subsumtion der vom BGH verwendeten Treu und Glauben-Formel zu vermeiden.MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 387ff.  

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(1) Existenzvernichtender EingriffEingehend zur Entwicklung des existenzvernichtenden Eingriffs siehe Kurzwelly FS Goette, 2011, 277; Roth/Altmeppen/Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 73-130 und Gehrlein, WM 2008, 761ff  

16Die Haftung der Gesellschafter für den die Existenz der Gesellschaft vernichtenden Eingriff stellt eine das Kapitalschutzsystem der GmbH ergänzende Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB dar.BGH, Urteil v. 6.11.2018, NZG 2019, 187 Ein zum Schadensersatz nach § 826 BGB verpflichtender existenzvernichtender Eingriff liegt nach der Rechtsprechung des BGH dann vor, wenn der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern in sittenwidriger Weise das zur Tilgung ihrer Schulden erforderliche Vermögen entzogen und damit eine Insolvenz verursacht oder vertieft wird.BGH, Urteil v. 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667 Das Vermögen wird der Gesellschaft nur dann entzogen, wenn der Weggabe von Vermögen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht.BGH, Urteil v. 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667; BGH, Urteil vom 23.4.2012 (Liquidation), NZG 2012, 667 Vom Vermögensentzug erfasst sind offenkundig der Entzug von Aktiva als auch, nach der jüngsten Entscheidung des BGH zur Verschmelzung eines insolvenzreifen übertragenden RechtsträgersBGH, Urt. v. 6.11.2018, NZG 2019, 187 , die Überbürdung von Passiva.BGH, Urteil v. 6.11.2018, NZG 2019, 187; Heckschen, NZG 2019, 561ff.; Wicke, DNotZ 2019, 405  

17Die Haftung der Gesellschafter für einen existenzvernichtenden Eingriff ist eine besondere Form der Haftung wegen Insolvenzverursachung oder Insolvenzvertiefung.BGH, Urteil v. 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667 Bis zur berühmten Grundsatzentscheidung des BGH in der Sache Trihotel wurde die Haftung der Gesellschafter für einen existenzvernichtenden Eingriff als eigenständige, an einen Missbrauch der Rechtsform anknüpfende Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern begriffen, die aber subsidiär zur Innenhaftung des Gesellschafters nach §§ 30, 31 GmbH bestand. In der Trihotel-Entscheidung gab der II. Zivilsenat des BGH dieses Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur auf.Die Rechtsprechungsänderungen ist auch auf den Wechsel im Vorsitz des II. Zivilsenats von Röhricht zu Goette verbunden, vgl. dazu Weiß, Der Richter hinter dem Recht, 2014, 433ff Stattdessen wird seit der Trihotel-Entscheidung darauf abgestellt, dass die Existenzvernichtungshaftung an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens anknüpft und somit als eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft auf Grundlage einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB zu klassifizieren ist. Bloße Managementfehler bei der Leitung der GmbH hingegen begründen keinen existenzvernichtenden Eingriff.BGH, Urteil vom 13.12.2004 (Handelsvertreter), NZG 2005, 214 Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das gesetzliche Kapitalerhaltungssystem ergänzende, aber deutlich darüber hinausgehende „Entnahmesperre” wirken, indem sie die sittenwidrige, weil insolvenzverursachende oder vertiefende „Selbstbedienung” des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft durch die repressive Anordnung der Schadensersatzpflicht in Bezug auf das beeinträchtigte Gesellschaftsvermögen ausgleicht.BGH, Urteil vom 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667  

18Der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB steht in Anspruchskonkurrenz zu den verschuldensunabhängigen Erstattungsansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG.BGH, Urteil vom 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667 Beide Ansprüche bestehen als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Dem Vorsatzerfordernis des § 826 BGB ist genügt, wenn dem handelnden Gesellschafter bewusst ist, dass durch von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird; dafür reicht es aus, dass ihm die Tatsachen bewusst sind, die den Eingriff sittenwidrig machen, während ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich ist. Eine derartige Sittenwidrigkeit betrifft nicht nur die Fälle, in denen die Vermögensentziehung geschieht, um den Zugriff der Gläubiger auf dieses Vermögen zu verhindern, sondern ist auch dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat (Eventualdolus).BGH, Urteil vom 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667 Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Gesellschaft bzw. der InsolvenzverwalterBGH, Urteil vom 16.7.2007 (Trihotel), NZG 2007, 667 . Der Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung §§ 195, 199 BGB; diese beginnt erst zu laufen, wenn dem Gläubiger sowohl die Umstände, die einen Ersatzanspruch wegen Existenzvernichtungshaftung begründen, als auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass der mittelbare Gesellschafter als Schuldner in Betracht kommt, bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind.BGH, Urteil vom 24.7.2012 (PPM), NZG 2012, 1069  

19Bereits von der Rechtsprechung entschiedene Sachverhalte betreffen unter anderemWeitere Beispiele finden sich in Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 72 den bilanziell nicht erfassbaren Entzug von betriebsnotwendiger Liquidität und VermögensgegenständenBGH, Urteil vom 17.9.2001 (Bremer Vulkan), NZG 2002, 38; BGH, Urteil vom 24. 6. 2002 (KBV), NZG 2002, 914 , den Entzug von Geschäftschancen von der Gesellschaft und deren Verlagerung auf den GesellschafterBGH, Urteil vom 13.12.2004 (Autovertragshändler), NZG 2005, 177 , hoch spekulative Geschäfte die in ihrem Risikopotential deutlich über die Eigenkapitalausstattung hinausgehenBGH, Urteil vom 13.12.2004 (Autovertragshändler); OLG Köln, Urteil vom 13.04.2006, ZIP 2007, 28; Liebscher in Münchener Kommentar, GmbHG, 3. Auflage 2018, Anhang zu § 13 Rn. 556 , nachteilige Maßnahmen im Konzern wie etwa den Rückzug aus Geschäftsfeldern oder deren Verlagerung auf andere KonzerngesellschaftenBGH Urteil vom 20.09.2004 (Rheumaklinik), NZG 2004, 1107; Emmerich/Habersack KonzernR, 11. Auflage 2020, § 31 Rn. 13 , die prozessuale Vereitelung der Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter (auch im Stadium der Liquidation der GesellschaftBGH, Urteil vom 9. 2. 2009 (Sanitary), NZG 2009, 545 ) oder auch die Überbürdung von Passiva durch Verschmelzung eines insolvenzreifen Rechtsträgers wenn hierdurch die Insolvenz der übernehmenden Gesellschafter herbeigeführt oder vertieft wird.BGH, Urteil vom 6.11.2018 (Verschmelzung)  

(2) Vermögensvermischung

20Eine Vermögensvermischung liegt nach der Rechtsprechung des BGH dann vor, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist und deshalb die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Absatz 2 GmbHG) ist, nicht funktionieren können.BGH, Urteil vom 13.4.1994 (Vermögensverwaltung), NJW 1994, 1801; BGH, Urteil vom 14.11.2005, NJW 2006, 1344. Ausführlich ferner Ingo Saenger in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, § 13 Rn. 99 ; Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 14; Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 aa) Die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ist keine Zustands-, sondern eine Verhaltenshaftung für Sachverhalte, in denen eine Kontrolle über die Verwendung des haftenden Gesellschaftsvermögens vereitelt wird.BGH, Urteil vom 14.11.2005, NZG 2006, 350 Unter diesen Gesichtspunkten trifft sie einen Gesellschafter nur, wenn er auf Grund des von ihm wahrgenommenen Einflusses als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich istBGH, Urteil vom 13.4.1994 (Vermögensverwaltung), NJW 1994, 1801; BGH, Urteil vom 14.11.2005, NZG 2006, 350 . Wer wegen geringer Beteiligung und fehlender interner Mitspracherechte einen solchen Einfluss nicht ausüben kann, ist regelmäßig nicht von der Verhaltenshaftung betroffen. Die Haftung für Vermögensvermischung ordnet der BGH als einen Fall der Durchgriffshaftung analog § 128 HGB ein und hat diese Einordnung auch angesichts der Trihotel-Entscheidung in dieser selbst explizit bestätigt.BGH, Urteil vom 16. 7. 2007 (Trihotel), NZG 2007, 667 Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer unkontrollierbaren Vermischung des Gesellschafts- mit dem Privatvermögen der Gesellschafter ist im Grundsatz der klagende Insolvenzverwalter; den oder die Gesellschafter trifft aber eine sekundäre Darlegungslast für das Gegenteil. Das bloße Fehlen einer „doppelten Buchführung” reicht als Nachweis für eine Vermögensvermischung nicht aus.BGH, Urteil vom 14.11.2005, NZG 2006, 350  

(3) Sphärenvermischung

21Unter Sphärenvermischung werden Sachverhalte verstanden, in denen der Gesellschafter bei seinem Auftreten im Rechtsverkehr nicht klar zwischen der Gesellschaft und seiner eigenen Sphäre trennt.Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 14 Hat der Gesellschafter seinen Geschäftspartner im Unklaren gelassen, mit wem dieser den Vertrag geschlossen hat, soll er sich nicht auf die Unterscheidung von seiner Gesellschaft berufen können.Wiedemann GesR I § 4 Absatz III 1 a; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 13 Rn. 24 Die enge inhaltliche Verwandtschaft der Sphärenvermischung mit der Rechtsscheinhaftung im Firmen- und Stellvertretungsrecht ist offensichtlich. Beispielsweise hat die Rechtsprechung eine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH gegenüber außenstehenden Dritten angenommen, wenn dieser durch sein Zeichnen der Firma ohne Rechtsformzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat.BGH, Urteil vom 5.2.2007, NJW 2007, 1529 Tatsächlich handelt es sich bei der Sphärenvermischung daher nicht um eine Durchgriffshaftung im engeren Sinne, sondern um einen Fall der Rechtsscheinhaftung im Firmen- und Stellvertretungsrecht.MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 404; BeckOGK/Fock, 1.7.2020, AktG § 1 Rn. 55-59  

(4) Materielle Unterkapitalisierung

22Materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft wird verstanden als eine „eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft, die einen Misserfolg der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu Lasten der Gläubiger bei normalen Geschäftsverlauf mit hoher, das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt“Hachenburg/Ulmer Anh. § 30 Rn. 16 . Ob diese Situation einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter begründet, ist umstritten.Zum Meinungsstand Roth/Altmeppen/Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 142-151; WEITERE Der II. Zivilsenat des BGH hat sich in der GAMMA-Entscheidung mit überzeugenden Argumenten explizit gegen eine Einordnung einer materiellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft als Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs ausgesprochen.BGH, Urteil vom 28. 4. 2008, NZG 2008, 547   Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen unter diesem Aspekt eine persönliche Haftung des Gesellschafters nach § 826 BGB entstehtSo genannte „Aschenputtel-GmbH“, vgl. dazu BeckOK GmbHG/Wilhelmi, 45. Ed. 1.2.2020, GmbHG § 13 Rn. 69, 70 und Henssler/Strohn GesR/Verse, 4. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 29-31 , ließ der II. Zivilsenat offen. Zur Begründung verweist der II. Zivilsenat unter anderem darauf, dass eine Haftung des GmbH-Gesellschafters wegen unzureichender Kapitalisierung der Gesellschaft – sei es in Form zu geringer Eigenkapitalausstattung, sei es in Gestalt einer allgemeinen Mangelhaftigkeit der Vermögensausstattung im weitesten Sinne – weder gesetzlich normiert noch durch richterrechtliche Rechtsfortbildung als gesellschaftsrechtlich fundiertes Haftungsinstitut anerkannt ist und die Motive zum GmbHG als auch zum MoMiG keinen Raum für eine Haftung des Gesellschafters für eine Unterkapitalisierung sehen.Vgl. BT-Dr 8/1347, S. 39: „Auf Grund einer nachträglichen Berechnung über eine angemessene Eigenkapitalausstattung die Gesellschafter gegebenenfalls generell haften zu lassen, wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar und könnte letztlich die GmbH als solche in Frage stellen”  

(5) Qualifiziert faktischer Konzern

23Die GmbH ist häufig als Konzerngesellschaft Teil einer größeren Unternehmensgruppe. Aufgrund der Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer (§ 37 GmbHG) ist die GmbH als Konzerntochter prädestiniert und es wird häufig von der natürlichen Konzernoffenheit der GmbH gesprochen.Fleischer, Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, Rn. 47 Demgegenüber steht, dass ein GmbH-Konzernrecht als solches nicht existiert und Vorschriften wie die §§ 311 und 317 AktG für die GmbH fehlen. Zum Schutz der abhängigen GmbH-Konzerngesellschaft wurde das Instrument des so genannten „qualifiziert faktischen Konzerns“Der Begriff wird, soweit ersichtlich, erstmalig 1972 geprägt, vgl. dazu Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform Bd. II, 1972, 49ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Auflage 2020, § 28 Rn. 1ff.; Altmeppen, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2020, Anhang zu § 317, Rn. 2 entwickelt. Als Haftungstatbestand innerhalb eines Konzerns wurde der qualifiziert faktische Konzern erstmalig in der Autokran-Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH anerkannt.BGH, Urteil vom 16.9.1985, NJW 1986, 188 Zur Begründung der Haftung des herrschenden Konzernunternehmens verwies der BGH darauf, dass dieses in entsprechender Anwendung der §§ 303, 322 AktG gegenüber den Gläubigern der abhängigen und vermögenslosen GmbH hafte, wenn dieses die Geschäfte der abhängigen GmbH dauernd und umfassend selbst geführt hat und nicht dartun kann (in entsprechender Anwendung des § 317 AktG), dass der pflichtgemäß handelnde Geschäftsführer einer selbständigen GmbH die Geschäfte ebenso geführt hätte. Der II. Zivilsenat entwickelte diese Rechtsprechung in den Entscheidungen „Tiefbau“BGH, Urteil vom 20.02.1989 (Tiefbau), NJW 1989, 1800 , „Video“BGH, Urteil vom 23.09.1991 (Video), NJW 1991, 3142   und „TBB“BGH, Urteil vom 29.03.1993 (TBB), NJW 1993, 1200 weiter; in letzterer Entscheidung änderte der BGH die dogmatische Grundlage der Zustandshaftung auf eine VerhaltenshaftungMüKoAktG/Heider, 5. Aufl. 2019, AktG § 1 Rn. 69 und stützte diese fortan nicht mehr auf die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Konzern-GmbH, sondern auf den Missbrauch der Leitungsmacht durch das herrschende Konzernunternehmen.

24Eine weitere Weichenstellung erfolgte mit der Entscheidung des II. Zivilsenats in der Sache „Bremer Vulkan“ im Jahr 2001. Der BGH verabschiedete sich von seiner bisherigen Rechtsprechung und stützte die Haftung des herrschenden Unternehmens fortan auf einen „bestandsvernichtenden Eingriff“. Der Schutz der abhängigen GmbH gegenüber Eingriffen ihres Alleingesellschafters folge nicht aus dem Haftungssystem des AktG, sondern beschränke sich auf die Erhaltung des Stammkapitals der Gesellschaft und die Gewährleistung ihres Bestandsschutzes.BGH, Urteil vom 17.9.2001 (Bremer Vulkan), NJW 2001, 3622. Zu den Entwicklungslinien der Rechtsprechung des II. Senats vgl. Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, 83ff. und K. Schmidt, NJW 2001, 3577 Der Alleingesellschafter habe bei Eingriffen in das Vermögen der Gesellschaft und ihre Geschäftschancen angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der Gesellschaft zu üben und an einer solchen fehle es, wenn die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten infolge der Eingriffe ihres Gesellschafters nicht mehr nachkommen könne.BGH, Urteil vom 17.9.2001 (Bremer Vulkan), NJW 2001, 3622 Zu einer Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der von ihm beherrschten GmbH führe aber auch ein solcher bestandsvernichtender Eingriff nur dann, wenn sich die Fähigkeit der GmbH zur Befriedigung ihrer Gläubiger nicht schon durch die Rückführung entzogenen Stammkapitals gemäß § 31 GmbHG wiederherstellen lasse.BGH, Urteil vom 17.9.2001 (Bremer Vulkan), NJW 2001, 3622 Im Ergebnis hat sich der BGH damit für eine Haftung wegen „existenzvernichtenden“ (anstelle des „bestandsvernichtenden“ Eingriffs, die Terminologie des im Jahr 2007 ergangenen Trihotel-Urteils nutzend) Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen der (Konzern-)GmbH ausgesprochen.

25Inwiefern seit der Trihotel-Entscheidung zwischen einem existenzvernichtenden Eingriff in Konzernsachverhalten und außerhalb von Konzernsachverhalten zu unterscheiden ist, wird unterschiedlich beurteilt.Zum Meinungsstand: Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 48; Scholz/Emmerich Anh. § 13 Rn. 120 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3579; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, Anh. § 13 Rn. 149 f Gute Gründe sprechen dafür, keine derartige Unterscheidung anzustrengen. Nach der jüngsten Rechtsprechung des II. Zivilsenats kommt es einzig auf den zur Insolvenz führenden oder die Insolvenz vertiefenden kompensationslosen Vermögensentzug an, der nicht nur den Entzug von Vermögenswerten, sondern auch die Überbürdung von Verbindlichkeiten erfasst.Siehe auch Beck, DStR 2012, 2135 („Irrelevanz von Abhängigkeitsverhältnissen“) Ob dies durch die herrschende Gesellschaft im Konzern oder den Alleingesellschafter außerhalb eines Konzerns geschieht, bleibt für die Haftungsauslösung unerheblich. Ebenso bleibt unerheblich, wer im Fall des Vermögensentzugs Empfänger des entzogenen Vermögenswerts oder im Fall der Überbürdung von Verbindlichkeiten von diesen befreit ist.

3) Rechts- und Pflichtenkreis des GmbH-Gesellschafters

26Die Stellung des GmbH-Gesellschafters erschöpft sich nicht in der puren Mitgliedschaft in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie ist vielmehr geprägt von Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft einerseits als auch von Rechtsbeziehungen zu etwaigen Mitgesellschaftern andererseits. Diese sind die aus der Mitgliedschaft erwachsende Treuepflicht, der Gleichbehandlungsgrundsatz und die Gesellschafterklage (actio pro socio).

a) TreuepflichtDie gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist in der Rechtsprechung des BGH als rechtsformübergreifendes Verbandsprinzip anerkannt, siehe dazu BGH, Urteil vom 14.2.2019, NJW 2019, 1289 m. w. N  
aa) Akzeptanz, Funktion und Anwendungsbereich

27Die Treuepflicht des GmbH-Gesellschafters ist, wenn auch mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung, als über den Grundsatz von Treu und Glauben hinausgehende PflichtVgl. bereits BGHZ 9, 157, 163 („…nicht bloß den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beinhaltende Treuepflicht…“)   allgemein anerkannt.BGH, Urteil vom 5.6.1975 (ITT), NJW 1976, 191; BGH, Urteil vom 20.03.1995 (Girmes), NJW 1995, 1739; Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 20; Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 19; Roth/Altmeppen/Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 29-31   Ihre Funktion liegt in der Beschränkung der Rechte des Gesellschafters.So bereits BGHZ 14, 25, 38 („Auch die Treuepflicht setzt der Ausübung des Stimmrechts Grenzen“); vgl. dazu und zur Entwicklung der Rechtsprechung Flume, ZIP 1996, 161ff Dieser darf seine Mitgliedschaft weder zum Schaden der Gesellschaft (vertikale Treuepflicht) noch zum Schaden seiner Mitgesellschafter (horizontale Treuepflicht) ausübenMHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 141-145 , gegenüber außenstehenden Dritten besteht keine Treuepflicht. Die Treuepflicht des GmbH-Gesellschafters ist somit für Sachverhalte relevant, in denen die Rechts- und Interessensphären der Gesellschafter untereinander oder der Gesellschafter und der Gesellschaft zueinander in Beziehung zu setzen und zum Ausgleich zu bringen sind.Dreher, DStR 1993, 1632; MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 132-134   Keine Treupflicht besteht nach ganz überwiegender Meinung in der Einpersonen-GmbH.MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 13 Rn. 105-107  

bb) Inhalt und Fallgruppen

28Allgemein formuliert ist der Gesellschafter zur Loyalität verpflichtet, hat drohenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und den Gesellschaftszweck aktiv zu fördern.MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 13 Rn. 88 Spezifischer haben sich mittlerweile verschiedene Fallgruppen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht herausgebildet. Deren Verletzung kann zu Schadensersatzansprüchen gegenüber der Gesellschaft und/oder einem Mitgesellschafter, der Anfechtbarkeit von unter Verletzung der Treuepflicht getroffenen Gesellschafterbeschlüssen oder auch zum Ausschluss des treuwidrig handelnden Gesellschafters aus der Gesellschaft führenAusführlich zu den Rechtsfolgen einer Treuepflichtverletzung MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 13 Rn. 183-185 . Die in der Literatur diskutierten und durch die Rechtsprechung entschiedenen Fälle umfassen unter anderem die folgende Szenarien:Dazu weiterführend BeckOK GmbHG/Wilhelmi, 45. Ed. 1.2.2020, GmbHG § 13 Rn. 186-189; MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 162-165; Roth/Altmeppen/Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 44-60  

- Stimmrechtsbegrenzung: Pflicht des Gesellschafters bei der Ausübung des Stimmrechts die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zu wahren, z.B. bei der Ergebnisverwendung,Einhaus/Selter, GmbHR 2016, 1177 ff.  Geltendmachung von Gewinnansprüchen bei überhöhter RücklagenbildungOLG Hamm, Urteil vom 3.7.1991, DStR 1992, 298  oder Ausübung eines Entsenderechts;MüKoGmbHG/Spindler, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 52 Rn. 139-143  

- Aufklärungspflicht: Pflicht des Gesellschafters zur Aufklärung der Mitgesellschafter über Sachverhalte, die für eine sachgerechte Interessenwahrnehmung relevant sind oder deren Vermögensinteressen berühren, z.B. geplante Änderungen der Beteiligungsstruktur, Existenz von Treuhandverhältnissen an Geschäftsanteilen, Zahlung eines Geschäftsführergehalts an einen Gesellschafter-GeschäftsführerBGH, Urteil vom 11.12.2006, NZG 2007, 185 ; sowie die Pflicht zur Aufklärung des geschäftsunerfahrenen und durch ein persönliches Vertrauensverhältnis verbundenen Gesellschafters;BGH, Urteil vom 7.10.1991, NJW 1992, 300

- Unterlassungspflicht: Pflicht des Gesellschafters zur Unterlassung von kreditschädigenden Äußerungen über die Gesellschaft gegenüber DrittenOLG Dresden, Urteil vom 14.7.1999, NZG 1999, 1220 , treuwidriger Anfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschluss, um sich den Lästigkeitswert der Klage abkaufen zu lassenMüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 13 Rn. 146 , und Ausübung des Weisungsrechts, um auf die Geschäftsführung sachwidrig Einfluss zu nehmen oder Rechte der GmbH zu eigennützigen Zwecken zu vereinnahmen;MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 175-181

- Stimmpflicht: Pflicht zur Zustimmung zu Erhaltungsmaßnahmen und Verlustvermeidung die objektive unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern zumutbar sindBGH, Urteil vom 12.4.2016, NJW 2016, 2739 , Mitwirkung an der Feststellung des JahresabschlussesMHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 184-189   und Änderung einer unzureichenden Satzung.BGH, Urteil vom 25.9.1986, NJW 1987, 189  

cc) Zeitlicher Anwendungsbereich

29Die Treuepflichtbindung beginnt bereits im Stadium der Vorgründungsgesellschaft und setzt sich in der sich daran anschließenden Vor-GmbH fort.Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 21 Die Treuepflicht reicht bis in die Liquidationsphase hinein und wirkt grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren fort. Die Intensität der Treuepflicht im Insolvenzverfahren richtet sich maßgeblich danach, ob die Fortführung der Gesellschaft als wahrscheinlich zu bewerten ist.BGH, Urteil vom 14.2.2019, NJW 2019, 1289 Ist sie es nicht, zielt das Insolvenzverfahren mit einer entsprechenden Änderung des Gesellschaftszwecks auf die Liquidation der Gesellschaft ab.BGH, Urteil vom 14.2.2019, NJW 2019, 1289 Besteht hingegen eine Fortführungswahrscheinlichkeit der Gesellschaft, kommt eine (Wieder-)Ausrichtung der Treuepflicht an das ursprünglich bestehende Pflichtenprogramm der vormals werbend tätigen Gesellschaft in Betracht.BGH, Urteil vom 14.2.2019, NJW 2019, 1289  

b) Gleichbehandlungsgrundsatz

aa) Akzeptanz, Funktion

30Der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist keine Besonderheit des GmbH-Rechts, sondern ein verbandsübergreifendes Prinzip und als solches schon seit Ende des 19. Jahrhunderts anerkannt.Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften (2006); MHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 112-113 Nach der Rechtsprechung des BGH verbietet der Grundsatz der Gleichbehandlung im Gesellschaftsrecht eine willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung der Gesellschafter.BGH, Urteil vom 16.12.1991, NJW 1992, 892 Freilich gilt dies nur, sofern die betroffenen Gesellschafter der Ungleichbehandlung nicht zustimmenMHLS/Lieder, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 13 Rn. 108-109 m.w.N , zum Beispiel mittels der Einräumung von Sonderrechten zugunsten einzelner Gesellschafter oder einer disquotalen Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag oder bei späterer Satzungsänderung.Vgl. aber § 53 III GmbH zu Beschlüssen, die eine Vermehrung von Leistungen bewirken Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zunächst Auslegungsregel dergestalt, dass im Zweifel (sofern keine wirksame Zustimmung zu einer Ungleichbehandlung vorliegt) eine Gleichbehandlung der Gesellschafter gewollt ist.Roth/Altmeppen/Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 61-65 Zudem übernimmt der Gleichbehandlungsgrundsatz damit auch die Funktion eines Willkürverbots.MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 13 Rn. 289-290; Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 31-35; Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, § 13 Rn. 66  

bb) Anwendungsbereich, Inhalt

31Adressat des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist die Gesellschaft einschließlich ihrer Organe, d.h. der Gesellschafterversammlung bei der Fassung von Mehrheitsbeschlüssen sowie einzelner Mitgesellschafter bei Ausübung von Organfunktionen, z.B. als Gesellschafter-Geschäftsführer.Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 31-35 Der geschützte Personenkreis umfasst ausschließlich die Gesellschafter.

Anders als das Aktiengesetz (§ 53a AktG) enthält das GmbHG keine ausdrückliche Regelung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Es enthält gleichwohl vereinzelt Regelungen, welche Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellen.Weitere Beispiele bei Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, Rn. 64 Am deutlichsten kommt der Gleichbehandlungsgrundsatz zum Ausdruck bei der Abstimmung gemäß § 47 Absatz 2 GmbHG („Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme.“) und der Ergebnisverwendung gemäß § 29 Absatz 3 GmbHG („Die Verteilung erfolgt nach Verhältnis der Geschäftsanteile.“). Zu beachten ist, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz weitestgehend dispositiv ist und damit auch die beiden vorgenannten Bestimmungen der Disposition der Gesellschafter unterliegen. Entgegen § 47 Absatz 2 GmbHG können im Gesellschaftsvertrag Mehrstimmrechte und entgegen § 29 Absatz 3 GmbHG kann im Rahmen der Satzungsfreiheit ein Gewinnvorzug vereinbart werden. Keine Dispositivität besteht hingegen bei zwingenden Vorschriften, so beispielsweise bei der minderheitsschützenden Regelung des § 53 Absatz 3 GmbH („Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden.“) Ebenso sind unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte (z.B. Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, Auskunfts- und Einsichtsrechte, Klagerechte) der Disposition der Gesellschafter entzogen.Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, Rn. 68  

cc) Rechtsfolgen

32Geschäftsführungsmaßnahmen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, sind rückgängig zu machen oder durch entsprechende Leistung an den Benachteiligten auszugleichen.Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 31-35 m.w.N   Gesellschafterbeschlüsse, die gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, sind anfechtbar.BGH, Urteil vom 16.12.1991, NJW 1992, 892  

c) Actio pro socio
aa) Akzeptanz, Funktion

33Die actio pro socio hat ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters.BGH, Beschluss vom 26.4.2010, NZG 2010, 783 Actio pro socio bezeichnet das Recht des Gesellschafters, von seinen Mitgesellschaftern die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft zu verlangen (Sozialansprüche) und im Wege der Klage (im eigenen Namen und auf Leistung an die Gesellschaft) geltend zu machen.BGH, Urteil vom 5.6.1975 (ITT), NJW 1976, 191; BGH, Urteil vom 14.05.1990, NJW 1990, 2627; Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 23; MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 705 Rn. 210-212; Baumbach/Hueck/Fastrich, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 36-39; Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, § 13 Rn. 72   Ursprünglich dem Personengesellschaftsrecht entstammend, hat sich die Anwendung der Gesellschafterklage im GmbH-Recht seit der ITT-Entscheidung des BGH Mitte der 1970er Jahre schrittweise etabliertBGH, Urteil vom 5.6.1975 (ITT), NJW 1976, 191; BGH, Urteil vom 28.6.1982, ZIP 1982, 1203; BGH, Urteil vom 14.5.1990, NJW 1990, 2627; BGH, Urteil vom 16.3.1998, NZG 1998, 428.; Bayer, GmbHR 2016, 505; Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Auflage 2020, § 13 Rn. 72 . Hingegen ist die Rechtsnatur der Gesellschafterklage noch umstritten. Die herrschender Meinung qualifiziert die Gesellschafterklage als Prozessstandschaft (§ 265 ZPO).Zum Meinungsstand Kumkar, NZG 2020, 1012 m. w. N. Zum einstweiligen Rechtsschutz Lutz, NZG 2015, 424, 427   Die Gesellschafterklage hat zwei spezifische Funktionen:Dezidiert zu den Funktionen der Gesellschafterklage Kumkar, NZG 2020, 1012 m.w.N. Sie ist allgemeines Kontrollrecht der Gesellschafter in Bezug auf die innergesellschaftliche Willensbildung einerseits und Instrument zum Schutz von Minderheiten innerhalb der Gesellschaft andererseits.

bb) Anwendungsbereich, Inhalt

34Mit der actio pro socio kann der Gesellschafter nach herrschender Meinung nur mitgliedschaftliche Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter (SozialansprücheZum Begriff: MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 705 Rn. 207) geltend machen. Ansprüche aus Drittgeschäften sowie gegen gesellschaftsfremde Dritte scheiden aus; Konzernunternehmen sind als taugliche Anspruchsgegner erfasst.Schindler in Römermann, Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 4. Auflage 2018, § 25 Rn. 16ff.; Urteil vom 5.6.1975, NJW 1976, 191 Auf Basis der herrschenden Meinung, welche die Gesellschafterklage als Prozessstandschaft begreift, muss der Gesellschafter vor Erhebung der Klage zunächst die rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten ausschöpfen, die ihm nach dem GmbHG in diesem Fall zur Verfügung stehen;OLG Koblenz, Urteil vom 8.4.2010, NZG 2010, 1023 insbesondere muss der Gesellschafter einen Beschluss der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG herbeiführen.BeckOK GmbHG/Schindler, 45. Ed. 1.8.2020, GmbHG § 46 Rn. 119-121 Ergeht dieser Beschluss und verfolgt die Gesellschaft ihre Sozialansprüche gegen den betreffenden Gesellschafter, ist für die actio pro socio kein Raum; sie ist subsidiär.OLG Koblenz, Urteil vom 8.4.2010, NZG 2010, 1023; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 46 Rn. 58-60  

35Ausnahmen zur grundsätzlichen Subsidiarität der Gesellschafterklage sind als praktisches Bedürfnis anerkannt. In der Zweipersonengesellschaft ist der klagewillige Gesellschafter nicht darauf angewiesen, vorab die Gesellschaft zur Klageerhebung gegen den Mitgesellschafter zu zwingen.Oppenländer, DStR 1996, 922, 928 Der Herbeiführung eines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG bedarf es ferner nicht, wenn ein solches Bemühen von vornherein gänzlich aussichtslos ist, z.B. wenn sich die Gesellschaftermehrheit bereits unmissverständlich dahingehend geäußert hat, einer Geltendmachung nicht zustimmen zu wollen.BGB Urteil vom 5.6.1975, NJW 1976, 191 Nach umstrittener Auffassung kann der klagewillige Gesellschafter ferner den (Gesellschafter-)Geschäftsführer der Gesellschaft mittels der Gesellschafterklage in Anspruch nehmen, wenn sich die Gesellschaft in einer kritischen Situation als handlungsunfähig oder -unwillig darstellt.OLG Braunschweig, Urteil vom 9.9.2009, GmbHR 2009, 1276; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.9.1998, NZG 1999, 213; OLG Jena, Urteil vom 8.1.2014, NZG 2014, 391; zum Meinungsstand Roth/Altmeppen/Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 13 Rn. 27, 28 und Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 13 Rn. 23, jeweils m.W. N  

d)       Einführung

aa)     Der Begriff des Konzern(rechts)

36Seit der Aktienrechtsreform im Jahre 1965 bezeichnet der Begriff "Konzernrecht" allgemein alle schutz- und organisationsrechtlichen Aspekte sämtlicher Formen von Unternehmensverbindungen.Bayer, in: MüKo, AktG, 5. Aufl. 2019, § 15 Rn. 6; Mülbert, in: ZHR 163 (1999), 1 (50); Timm, in: JuS 1999, 553 (553 f.).  Das Konzernrecht wird auch vielfach als das Recht der verbundenen Unternehmen definiert. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019, Einl. Rn. 1. Es ist primär Gesellschaftsrecht, welches das Verhältnis (mindestens) zweier rechtlich selbstständiger Personen oder Rechtsträger zueinander darstellt. Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 1, 2 Ein „Konzern“ begründet keine Rechtsform sui generis, demzufolge kann es auch keine konzernspezifischen eigenen Leitungsorgane, z.B. einen „Konzernvorstand“ oder ein „Konzernregister“, geben. Timm, in:JuS 1999, 553 (554). Es handelt sich bei dem Konzern um eine wirtschaftliche Einheit mit rechtlich selbständigen Rechtsträgern und jeweils einzelnen Willensbildungsorganen ("Einheit in Vielfalt"),Drygala/Staake/Szalai, in: Drygala/Staake/Szalai,Kapitalgesellschaftsrecht, 1. Aufl. 2012, § 29 Rn. 1  z.B. Vorständen (§ 76 AktG) oder Geschäftsführern (§ 35 GmbHG).

bb)     Funktionen des Konzernrechts

37Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmen als eine Unternehmensgruppe bieten viele Vorteile, wie etwa die Trennung von strategischer und operativer Leitung (Tagesgeschäft), die Zuordnung von Kosten, Steuern und Erträgen,Drygala/Staake/Szalai, in:Drygala/Staake/Szalai,Kapitalgesellschaftsrecht, 1. Aufl. 2012, § 29 Rn. 6 die Generierung von Synergieeffekten, wenn beispielsweise die Gruppen-Untergesellschaft von den günstigen Einkaufspreisen der Gruppen-Obergesellschaft profitiert, oder die Ausübung von Kontrolle über mehrere Gesellschaftsebenen hinweg.Kuhlmann/Ahnis, in:Kuhlmann/Ahnis, Konzern- und Umwandlungsrecht, 3. Aufl. 2010, § 1 Rn. 8

38Wie die Begrifflichkeiten Obergesellschaft und UntergesellschaftSiehe die Definition für abhängige und herrschende Unternehmen in § 17 AktG  erkennen lassen, begründen Gruppenstrukturen Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse. Allein daraus folgt für die Gesellschafter und Gläubiger der untergeordneten (abhängigen) Gesellschaft die abstrakte Gefahr, dass ihre Interessen wegen der Durchsetzung gesellschaftsfremder Interessen der übergeordneten (herrschenden) Gesellschaft zurückgedrängt werden.Koch, in: Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 15 Rn. 3-5  Die Abwehr dieser so genannten Konzerngefahr,Weiterführend dazu: Schall, in: BeckOGK, AktG, 1.1.2023, § 15 Rn. 32  mithin der Schutz der abhängigen Gesellschaft und auch deren Gläubiger, ist das Hauptziel der Vorschriften des Konzernrechts.BGH, Urteil vom 16. 9. 1985 - II ZR 275/84 Das Konzernrecht hat die Lösung etwaiger Interessenkollisionen, wie sie aus diesen gesellschaftsrechtlich vermittelten Strukturen und Einflussmöglichkeiten entstehen können, zum Ziel. Es steht einer möglichen Einflussnahme der Obergesellschaft auf die Untergesellschaft nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, sondern versucht, einen angemessenen Ausgleich der verschieden gelagerten Interessen zu erreichen.Servatius, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 291 Rn. 5

cc)     Gesetzliche Regelungen und Systematik

39Das Konzernrecht ist fragmentiert. Ausdrückliche Regelungen zum Konzernrecht finden sich nur im AktG; der „Allgemeine Teil“ (§§ 15-19 AktG) enthält insbesondere Definitionen und Hilfsnormen, während der „Besondere Teil“ in §§ 291 ff., 311 ff. 319 ff. AktG die wesentlichen Vorschriften darstellt.Zu dieser Systematik: Schall, in: BeckOGK, AktG, 1.1.2023, § 15 Rn. 8-15 und Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 15 Rn. 1-4a  Hinzu treten vereinzelte Spezialvorschriften, z.B. aus dem Mitbestimmungsrecht, Aufsichtsrecht oder der Rechnungslegung.

40Für die GmbH scheiterte eine Kodifikation GmbH-konzernrechtlicher Vorschriften 1971. Mit dem Verzicht auf eine Kodifizierung des GmbH-Konzernrechts wollte der Gesetzgeber indes keinesfalls zum Ausdruck bringen, dass etwa bestehende Lücken des GmbH-Rechts nicht durch analoge Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften oder durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden sollten.Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, Einleitung Rn. 20 m.w.N. Die analoge Anwendbarkeit der Vorschriften und Regelungsfunktionen auf andere Gesellschaftsformen als die Aktiengesellschaft ist überwiegend geklärt und der Rechtsfortbildung durch den II. Zivilsenat zu verdanken. Die Definitionsnormen der §§ 15-19 AktG gelten rechtsformübergreifend, während die Anwendbarkeit der spezielleren Vorschriften der §§ 311 ff., 319 ff. AktG individuell zu bestimmen ist.W. Goette/M. Goette, in: Die GmbH, 3. Aufl. 2019, S. 327; Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 9

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e)       Konzerntypen und Terminologie

41Legaldefinitionen für zwei Konzerntypen finden sich in § 18 AktG. Ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen, die unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind, bilden einen Konzern (so genannter Unterordnungskonzern – praktischer Hauptanwendungsfall). Rechtlich selbständige Unternehmen bilden auch einen Konzern (so genannter Gleichordnungskonzern – praktisch selten vorkommend), wenn sie unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, ohne dass das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist. Der Unterschied zwischen einem Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern ist die fehlende Abhängigkeit der Konzernunternehmen; im Gleichordnungskonzern sind diese voneinander unabhängig.

42Keine Legaldefinitionen finden sich für den Vertragskonzern, den faktischen Konzern und Eingliederungskonzern. Systematisch zu verorten sind diese in den §§ 291 ff. AktG (Vertragskonzern), §§ 311 ff. AktG (faktischer Konzern) und §§ 319 ff. AktG (Eingliederungskonzern).

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aa)     Unternehmensbegriff

43Der Unternehmensbegriff im Konzernrecht ist nicht legaldefiniert. Ausgangspunkt ist § 15 AktG, aus welchem allerdings lediglich folgt, dass „Unternehmen“ an konzernrechtsrelevanten Unternehmensverbindungen beteiligt sein können. Der Begriff „Unternehmen“ ist rechtsformneutral und nationalitätsneutral konzipiert.BT-Drucksache IV/171, S. 99; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 15 Rn. 5  Demnach erfasst der Begriff „Unternehmen“ unter anderem Einzelkaufleute, GbRs, Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG, Kapitalgesellschaften, Vereine, Stiftungen, Gewerkschaften sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. das Land NiedersachsenBGH, Beschluss vom 17.03.1997 - II ZB 3/96 (Braunschweig) ) und Rechtsformen ausländischen Rechts.Auch diese sind von der Definition des § 15 AktG erfasst, aber innerhalb des Anwendungsbereichs des Vertragskonzerns, faktischen Konzerns und Eingliederungskonzerns zumindest für die abhängige Gesellschaft ausgeschlossen

bb)     „Anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung“ als KonzerngefahrenmerkmalKritisch dazu Schall, in: BeckOGK, AktG, 1.1.2023, § 15 Rn. 33, 33.1 m.w.N

44Nach der traditionell begründetenBT-Drucksache IV/171, S. 99   und nach wie vor von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertretenen AuffassungBGH, Urteil vom 18. 6. 2001 - II ZR 212/99 (Karlsruhe).  ist nicht jedes Unternehmen automatisch Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn. Vielmehr ist ein Aktionär erst dann Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne, wenn er neben der Beteiligung an der Aktiengesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen hat, die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindung seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Aktiengesellschaft zu deren Nachteil ausüben.BGH, Urteil vom 13. 10. 1977 - II ZR 123/76 (LG Essen). Der Fall betraf u.a. die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland herrschendes Unternehmen im Sinne des AktG sein könne. Unverändert: BGH, Urteil vom 18. 6. 2001 - II ZR 212/99 (Karlsruhe).  Mit anderen Worten ausgedrückt, bedarf es des zusätzlichen Elements der Konzerngefahr.

45Deutlich zeigt sich dieses Kriterium bei der Diskussion, ob natürliche Personen als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts qualifiziert werden können. Etwas vereinfacht ist die Frage zu stellen, ob die betreffende natürliche Person als „reiner Privataktionär“ oder „Aktionär mit anderweitiger unternehmerischer Beteiligung (auch als Aktionär mit multiplem Beteiligungsbesitz oder Aktionär mit anderweitiger wirtschaftlicher Interessenbindungen bezeichnet)“Umfassend: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 15 Rn. 6-9b  einzustufen ist. Nur bei letzteren besteht aufgrund ihrer unternehmerischen Betätigung außerhalb der Gesellschaft die Gefahr eines potentiellen Interessenkonflikts und damit einer Schädigung der Gesellschaft im Interesse anderer Unternehmen.Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 15 Rn. 6-9b  Konsequenterweise wird nur der Aktionär mit anderweitiger wirtschaftlicher Interessenbindung von einer etwaigen (direkten oder analogen) Anwendung konzernrechtlicher Vorschriften erfasst.

46Dezidierter Prüfung bedarf die Einordnung der anderweitigen unternehmerischen Interessenbindung in Fällen, in denen der als Unternehmer einzustufende Gesellschafter seine Interessen zusammen mit anderen verfolgt, also beispielsweise als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft.Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 14  Entscheidend ist dann, ob und inwieweit der als Unternehmer in Betracht kommende Gesellschafter rechtlich und tatsächlich das unternehmerische Interesse der anderen Gesellschaft prägen kann. Hierfür genügt nach Ansicht der Rechtsprechung das Vorhandensein einer „maßgeblichen Beteiligung“, durch die Einfluss auf die entsprechende Gesellschaft ausgeübt werden kann.BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 212/99 (Karlsruhe).  Während dies für 100%-BeteiligungenLiebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 75  und Mehrheitsbeteiligungen i.S.d. § 16 Abs. 1 AktG im Regelfall evident ist, können auch Minderheitsbeteiligungen im Einzelfall im Zusammenspiel mit weiteren Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art zu einer bestimmenden Einflussnahme führen.Römermann, in: Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 4. Aufl. 2018, § 20 Die GmbH im Konzern, Rn. 6; Kiefner, in: Priester/Mayer/Wicke, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Band 3, § 67, Rn. 25  Eine Einflussnahme wird daher regelmäßig vorliegen, wenn jener Gesellschafter in der Drittgesellschaft Geschäftsführer ist oder auch die Besetzung der Leitungsorgane bestimmen kann.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 76.

cc)     Abhängiges und herrschendes Unternehmen

47§ 17 Abs. 1 AktG definiert den Begriff des abhängigen Unternehmens als desjenigen rechtlich selbständigen Unternehmens, auf welches ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Die Vorschrift findet auch auf die GmbH Anwendung.Schall, in: BeckOGK, AktG, 1.1.2023, § 17 Rn. 1-3  § 17 ist Zentralnorm des allgemeinen Konzernrechts, da nahezu alle konzernrechtlichen Schutz- und Organisationsregelungen an den Begriff der Abhängigkeit anknüpfen.Koch, in: Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 17 Rn. 1-3  

Maßgeblich zur Beurteilung der Abhängigkeit ist die Sicht des abhängigen Unternehmens.Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 17 Rn. 11-13 mit Nachweisen zur Rechtsprechung

48Abhängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 Akt muss gesellschaftsrechtlich vermittelt sein, die Abhängigkeit aufgrund von schuldvertraglichen Regelungen oder rein tatsächlichen Umständen reicht für sich betrachtet nicht aus.BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83; Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 17; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 17 Rn. 14  Die Vermutungsregel in § 17 Abs. 2 AktG unterstreicht diese Wertung.

49Erfüllt ist der Abhängigkeitstatbestand, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen, aus seiner Perspektive, in eine Situation geraten ist, in der es der Möglichkeit einer Beherrschung durch ein anderes Unternehmen ausgesetzt ist.Schall, in: BeckOGK, AktG, 1.1.2023, § 17 Rn. 10 Dies ist der Fall, wenn die Obergesellschaft langfristig dazu fähig ist, der Geschäftsleitung der Untergesellschaft den Willen der Konzernspitze aufzuerlegen, diese also einem fremdunternehmerischen Willen unterworfen ist.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 121  Denn Herrschaft setzt voraus, dass „das abhängige Unternehmen sich dem Einfluss nicht entziehen kann, den ein anderes auf seine Geschäfts- und Personalpolitik auszuüben vermag“.BGH, Beschluss v. 19.1.1993 – KVR 32/91 (KG) = NJW 1993, 2114 (2116)  Dass das herrschende Unternehmen von seinen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich Gebrauch macht, ist nicht erforderlich. Zur Begründung der Abhängigkeit genügt vielmehr bereits die bloße Möglichkeit zur Herrschaft in der abhängigen Gesellschaft.

dd)     Mehrfache Abhängigkeit

50Die Abhängigkeit des beherrschten Unternehmens kann auch im Zusammenwirken mehrerer Gesellschaften entstehen. Eine gemeinsame Beherrschung besteht bei einer einheitlichen, vorab und beständig gesicherten Stimmausübung in der Gesellschafterversammlung der abhängigen Gesellschaft. Dies wird beispielsweise angenommen bei Zusammenschluss mehrerer Gesellschafter in einer eigenen Gesellschaft (häufig einer GbR), die dann einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dem abhängigen Unternehmen abschließt, oder bei Abschluss eines Konsortial-, Stimmbindungs- oder Poolingvertrages.Kiefner, in: Priester/Mayer/Wicke, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Band 3, § 67 Rn. 33 Nach überwiegender Auffassung sind in solchen Fällen die ihre Interessen bündelnden Gesellschafter selbst als Obergesellschaft anzusehen.Liebscher, in: MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 131  Bei paritätischen (50:50) Joint Ventures besteht kein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den zu 50% beteiligten Unternehmen.BGH, Beschluss v. 8. 5. 1979 - KVR 1/78 (KG) Etwas anderes gilt jedoch, wenn trotz paritätischer Beteiligung und gleichgerichteter Interessen ein beteiligtes Unternehmen dem anderen eine herausragende Stellung einräumt, aufgrund derer dieses die Verantwortung für die Führung des gemeinsamen Unternehmens übernimmt und die Unternehmenspolitik lenkt.BGH, Beschluss v. 18.11.1986 - KVR 9/85 (KG) = NJW 1987, 1700 (1701)

ee)     Abhängigkeits- und Konzernvermutung

51Weiterhin wird nach § 17 Abs. 2 AktG von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Bei Nachweis, dass dem betreffenden Gesellschafter trotz der ihm zustehenden Stimmrechte die Möglichkeit zur Beherrschung fehlt (z.B. durch satzungsmäßige Sonderrechte anderer Gesellschafter oder aufgrund der Besetzung eines möglichen Aufsichtsrats), greift die Vermutung nicht ein.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 17; Drygala/Staake/Szalai, in: Drygala/Staake/Szalai,Kapitalgesellschaftsrecht, 1. Aufl. 2012, § 29 Rn. 34

52Systematisch ergänzt wird die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG durch 18 Abs. 1 S. 3 AktG. Demnach wird von einem abhängigen Unternehmen vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet.

ff)      Besonderheiten bei der GmbH als Konzerngesellschaft

53Im Gegensatz zum AktG enthält das GmbHG keine Regelungen über verbundene Unternehmen. Gleichwohl kann die GmbH (herrschendes oder abhängiges) Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn sein; § 17 AktG ist rechtsformneutral auszulegen.BT-Drucksache IV/171, S. 99 f.  Allerdings zeigen sich doch einige Unterschiede zur AG.

54Die GmbH ist bereits kraft ihrer gesetzlichen Organisationsverfassung als Konzernunternehmen geeignet; sie kann sowohl die Rolle des herrschenden als auch des abhängigen Unternehmens übernehmen. Abhängigkeit der GmbH vom herrschenden Unternehmen entsteht bereits durch die bloße Mehrheitsbeteiligung des herrschenden Unternehmens. Es bedarf keiner zusätzlichen Herrschaft dergestalt, dass „das abhängige Unternehmen sich dem Einfluss nicht entziehen kann, den ein anderes auf seine Geschäfts- und Personalpolitik auszuüben vermag.“ Auch das Vorliegen einer Minderheitsbeteiligung,Bayer, in: MüKo, AktG, 5. Aufl. 2019, § 17 Rn. 124-126  gepaart mit gesellschaftsvertraglich verankerten Sonderrechten, z.B. Bestellungs- und Entsenderechten zu Gunsten eines einzelnen oder mehrerer Gesellschafter, kann die Abhängigkeit der GmbH als Konzernunternehmen begründen.

55Im Gegensatz zur AG besteht bei der GmbH keine so genannte Satzungsstrenge (vgl. § 23 Abs. 5 AktG), d.h. der Mehrheitsgesellschafter kann die Organisation der GmbH mittels der Regelungen im Gesellschaftsvertrag weitestgehend seinen Vorstellungen anpassen. Ferner sind die Geschäftsführer etwaigen Weisungen (vgl. § 37 GmbHG) durch die Gesellschafter unterworfen, führen die Geschäfte der GmbH also nicht eigenverantwortlich, wie dies für den Vorstand der Aktiengesellschaft (vgl. § 76 AktG) ausdrücklich angeordnet ist. Durch die stattdessen vorhandene Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer bestimmt der Gesellschafter die Geschäftspolitik.Leuschner, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, Anh. nach § 77 GmbH-Konzernrecht, Rn. 101

56Auch mit Blick auf den Gläubigerschutz bestehen erhebliche Unterschiede zur Aktiengesellschaft. Diese unterliegt einer deutlich strengeren Vermögensbindung als die GmbH. Während bei der AG bspw. nach § 57 AktG nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf (unbeachtlich der Höhe des Eigenkapitals), darf nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG „nur“ das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht ausgezahlt werden. Dies gilt umso mehr angesichts des konzernrechtlichen Trennungsprinzips, aufgrund dessen die Gläubiger keinen Zugriff auf das Vermögen der herrschenden Gesellschaft haben.Grigoleit, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 15 Rn. 6

gg)     Schutz der Minderheitsgesellschafter der abhängigen GmbH

57Die GmbH ist nach der Grundkonzeption für personalistisch strukturierte Zusammenschlüsse ausgestaltet (anders als die AG), wodurch tendenziell zugleich eine wesentlich höhere finanzielle Abhängigkeit der (Minderheits-) Gesellschafter besteht. Schließlich verhindert § 15 Abs. 4 GmbHG die freie Übertragbarkeit der Anteile, die durch eine Vinkulierungsklausel nach § 15 Abs. 5 GmbHG zusätzlich erschwert werden kann. Austrittswillige (Minderheits-) Gesellschafter können sich daher nur deutlich schwerer als bei (in der Regel) kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften von ihren Anteilen trennen.Leuering, in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 9, 6. Aufl. 2021, § 39 Rn. 4 

58Sobald die herrschende Gesellschaft konkurrierend unternehmerisch tätig wird, steigert sich das Risiko, dass die herrschende Gesellschaft bzw. der Mehrheitsgesellschafter den Gewinn eines eigenen oder anderen Konzernunternehmens zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft und ihrer Minderheitsgesellschafter optimiert. Klassische Beispiele sind die Gewinnabführung, Auslagerung wirtschaftlich unvorteilhafter Geschäfte, Verlagerung von Gewinn- und Geschäftschancen der Untergesellschaft auf ein anderes (ausländisches) Konzernunternehmen in Jurisdiktionen mit geringeren Lohnkosten, die Verwendung ungünstiger Konzernverrechnungspreise, die Wegnahme gewerblicher Schutzrechte und anschließende Hereinlizenzierung zu optimierten Lizenzgebühren sowie der Transfer von Schlüsselmitarbeitern und deren (temporäre) Verleihung bzw. Entsendung an beherrschte Konzerntöchter.

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f)        Unterordnungskonzerne

59Unterordnungskonzernstrukturen bilden den Hauptanwendungsfall in der Konzernpraxis.Koch, in: Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 18 Rn. 2, 3  Unterordnungskonzerne (§ 18 Abs. 1 AktG) begegnen als Vertragskonzerne auf Basis eines Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs. 1 AktG), Eingliederungskonzerne (§ 323 AktG) oder faktische Konzerne.Koch, in: Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 18 Rn. 2, 3  Kennzeichen des Vertragskonzerns ist die gesetzlich anerkannte Leitungsmacht; diese ist für den Beherrschungsvertrag in § 291 Abs. 1 AktG und für die Eingliederung in § 323 Abs. 1 AktG ausdrücklich normiert. Demgegenüber besteht beim so genannten faktischen Konzern mangels gesetzlicher Regelung keine gesetzliche anerkannte Leitungsmacht.

60Ein GewinnabführungsvertragIn der Praxis wird ein Beherrschungsvertrag häufig in Kombination mit einem Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund wird der Gewinnabführungsvertrag in aller Kürze hier ebenso kommentiert. vermittelt, sofern nur isoliert, d.h. nicht in Kombination mit einem Beherrschungsvertrag abgeschlossen, keine gesetzlich anerkannte Leitungsmacht.Altmeppen, in: MüKo, AktG, 5. Aufl. 2020, § 291 Rn. 149-151 Die gewinnabführungsverpflichtete Gesellschaft verpflichtet sich nur zur Abführung ihres Gewinns. Da das Beherrschungselement nicht eingreift, ist sie nicht an Weisungen der Geschäftsleitung der abführungsberechtigten Gesellschaft gebunden. Der Abschluss eines bloßen Gewinnabführungsvertrages befreit aber von der Pflicht zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts (§ 316).

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aa)     Beherrschungsvertrag

61Ein Beherrschungsvertrag ist ein Vertrag, durch den ein Unternehmen die Leitung ihrer Geschäfte einem anderen Unternehmen unterstellt (§ 291 Abs. 1 AktG). Die gesetzlich ausdrücklich normierte Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens gegenüber dem beherrschten Unternehmen ist zentrales Merkmal der Beherrschung. Einher geht die Beherrschung mit der obligatorischen Verpflichtung zum Ausgleich etwaiger Verluste der beherrschten Gesellschaft durch die herrschende Gesellschaft, § 302 AktG. Auch die GmbH kann herrschende oder beherrschte Gesellschaft eines Beherrschungsvertrags sein, wenngleich das praktische Bedürfnis für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags aufgrund der Organisationsstruktur der GmbH – die Geschäftsführung ist kraft Gesetzes (§ 37 GmbHG) an die Weisungen der Gesellschafter gebunden – nicht wirklich gegeben ist.Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 37 Rn. 20-2

62Der Abschluss eines Beherrschungsvertrags ist zur Bildung einer Organschaft oder sonst aus steuerlichen Gründen nicht erforderlich.

aaa)               Weisungskompetenz der Geschäftsleitung der herrschenden Gesellschaft

63Der Vertrag berechtigt die Geschäftsleiter der herrschenden Gesellschaft, der Geschäftsleitung der beherrschten GmbH analog § 308 Abs. 1 S. 1 AktG Weisungen zu erteilen. Zu deren Befolgung ist die Geschäftsführung der beherrschten GmbH grundsätzlich verpflichtet (analog § 308 Abs. 2 S. 1 AktG). Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens wird durch dessen Organe ausgeübt, die sich dabei jedoch der Unterstützung Dritter bedienen können, indem sie diese zur Ausübung des Weisungsrechts bevollmächtigen.Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 308 Rn. 13  Eine vollständige Übertragung des Weisungsrechts scheidet jedoch aus.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 17 Die GmbH im Konzern, Rn. 45

64Von der Beherrschung umfasst sind grundsätzlich auch für die beherrschte Gesellschaft nachteilige Weisungen, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm oder der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Die in § 37 GmbHG normierte Weisungskompetenz der Gesellschafterversammlung der beherrschten GmbHG wird während der Dauer des Beherrschungsvertrags also zugunsten der Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens verdrängt. Das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft gilt auch für etwaige Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung der beherrschten GmbH in Angelegenheiten der Geschäftsführung.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 98

bbb)               Schranken des Weisungsrechts

65Das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft gilt nicht schrankenlos. Schranken können sich ergeben sich aus Gesetz, dem Beherrschungsvertrag selbst, der Satzung sowie ungeschriebenen Rechtsinstituten wie dem Schädigungsverbot.

(1)       Gesetzliche Schranken

66Die Gesellschafterversammlung behält zwingende Zuständigkeiten für Grundsatzfragen, die ihr gesetzlich zugewiesen sind (z. B. Satzungsänderungen, Kapital- und Umwandlungsmaßnahmen).Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 119; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 95  Ebenfalls nicht Gegenstand der Weisungskompetenz sind analog § 299 AktG Maßnahmen der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft zur Änderung, Aufhebung oder Beendigung des Beherrschungsvertrags.Leuschner, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, Anh. nach § 77 GmbH-Konzernrecht, Rn. 222

67Ausgenommen sind zudem die nach zwingendem Recht einem obligatorischen Aufsichtsrat zugewiesenen Kompetenzen wie Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer nach § 31 MitbestG.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 96  Hingegen verdrängt das Weisungsrecht die Kompetenzen eines fakultativen Aufsichtsrats in Geschäftsführungsangelegenheiten, da die Befugnis des fakultativen Aufsichtsrats allein aus der nunmehr weisungsgebundenen Gesellschafterversammlung herrührt.Leuschner, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, Anh. nach § 77 GmbH-Konzernrecht, Rn. 230

68Schranken ergeben sich zudem für Weisungen, die mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften (z. B. weil sie die Behandlung des Verlustausgleichsanspruchs betreffen)Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 5. Aufl. 2021, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 168  oder mit der Satzung (z.B. Weisung zur Vornahme eines Geschäfts, das nicht vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist) unvereinbar sind.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 97

(2)       Vertragliche Schranken

69Der Beherrschungsvertrag selbst kann Grenzen für Weisungen vorgeben. Beispielsweise kann sich das Weisungsrecht nur auf bestimmte Teilbereiche des Unternehmens der beherrschten Gesellschaft beziehen.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 5. Aufl. 2021, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 167  Grundvoraussetzung für diese Einschränkung ist jedoch, dass sie sich auf eine wesentliche unternehmerische Funktion erstreckt.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 690  Einschränkungen, die dazu führen, dass im Ergebnis der Beherrschungsvertrag die wirtschaftliche Selbständigkeit der Untergesellschaft unberührt lässt, sind jedoch unzulässig; ein vollständiges Abbedingen des Weisungsrechts widerspricht grundsätzlich dem Wesen des Beherrschungsvertrags.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 689

(3)      Ungeschriebene Schranken

70Ferner sind existenzgefährdende Weisungen, deren Befolgung die Überlebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft gefährden, unzulässig.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 173; Leuschner, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, Anh. nach § 77 GmbH-Konzernrecht, Rn. 226  Die hiernach unzulässigen Fälle der Existenzvernichtung der abhängigen GmbH sind deckungsgleich mit den Haftungsfällen des (herrschenden) Gesellschafters gegenüber der abhängigen GmbH.https://gmbhg.kommentar.de/Abschnitt-2/Juristische-Person-Handelsgesellschaft/Allgemeines#16

71Ob die Weisungskompetenz daneben dort ihre Grenzen findet, wo es um außergewöhnliche, die Struktur des Unternehmens grundlegend verändernde Maßnahmen im Sinne der "Holzmüller"-DoktrinBGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 ff.  geht, ist umstritten.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 119  Überwiegend wird dies unter Hinweis abgelehnt, dass die konzernfreie Minderheit sich durch Abschluss des Beherrschungsvertrags ihrer Entscheidungsbefugnisse begeben habe.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 119

ccc)      Sorgfaltsmaßstab bei Erteilung und Befolgung von Weisungen

72Bei der Erteilung von Weisungen haben die gesetzlichen Vertreter der Obergesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 309 Abs. 1 AktG). Sofern sie ihre Pflichten verletzen, sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet (§ 309 Abs. 2 S. 1 AktG). Daneben haftet das herrschende Unternehmen gegenüber der Untergesellschaft gem. §§ 31, 278, 276 BGB.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 21 Die GmbH im Konzern, Rn. 56

73Vor Umsetzung einer Weisung ist die Geschäftsführung der Untergesellschaft zur Prüfung der Voraussetzungen des Weisungsrechts verpflichtet.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 162  Haben die Geschäftsführer der abhängigen GmbH eine sorgfaltswidrig erteilte, offensichtlich nicht bindende Weisung befolgt und dadurch pflichtwidrig an einer Schädigung der GmbH teilgenommen, so haften sie der Untergesellschaft analog § 310 AktG.Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 308 Rn. 55

bb)       Gewinnabführungsvertrag

74Ein Gewinnabführungsvertrag ist ein Vertrag, durch den sich eine Gesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (§ 291 Abs. 1 S. 1 2. Alt. AktG). Wegen der mit dem Gewinnabführungsrecht korrespondierenden Verlustübernahmepflicht gemäß § 302 AktG spricht man beim Gewinnabführungsvertrag auch von einem Ergebnisabführungsvertrag.Servatius, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, Systematische Darstellung Konzernrecht, Rn. 314-316c  Der Unterschied zum Beherrschungsvertrag besteht vor allem im Fehlen der gesetzlich normierten Leitungsmacht - dem Beherrschungselement. Auch die GmbH kann als abführungsverpflichtete Gesellschaft (steuerlich als Organgesellschaft bezeichnet) bzw. empfangsberechtigte Gesellschaft (steuerlich als Organträger bezeichnet), vgl. dazu § 14 Abs. 1 S. 1 und § 17 KStG, Partei eines (isolierten) Gewinnabführungsvertrags sein.

75Ferner gilt solch ein Vertrag als Gewinnabführungsvertrag, durch den eine Gesellschaft es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen (§ 291 Abs. 1 S. 2 AktG, so genannter Geschäftsführungsvertrag).

aaa)      Abführung des ganzen Gewinns

76Die Gewinnabführung erfasst grundsätzlich den gesamten Jahresüberschuss, wie er ohne die Pflicht zur Gewinnabführung – also ohne die buchhalterisch als Aufwand zu berücksichtigende Gewinnabführung – auszuweisen wäre (fiktiver Jahresüberschuss).Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 90  In entsprechender Anwendung von § 301 AktG kann eine abhängige GmbH jedoch höchstens den um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag verminderten Gewinn abführen. Hingegen ist der zweite Fall von § 301 AktG, also die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage nach § 300 AktG, in der GmbH nicht anwendbar, da eine derartige Rücklage in der GmbH nicht zu bilden ist.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 91

77Gewinne der GmbH dürfen nach der ausdrücklichen gesetzlichen Wertung in § 30 Abs. 1 GmbHG auch dann abgeführt werden, wenn sich die GmbH im Stadium der Unterbilanz befindet; die Stammkapitalbindung ist insofern relativiert. Aus Sicht der Geschäftsführung der abführungsverpflichteten Organgesellschaft essentiell ist daher die Werthaltigkeit des Verlustausgleichsanspruchs (§ 302 AktG analog) gegen die Obergesellschaft als Organträger. Diese zu prüfen, ist haftungsbewehrte Pflicht der Geschäftsführung; für die Geschäftsführung der Organgesellschaft folgt dies aus § 43 GmbHG und für die Geschäftsleitung der Obergesellschaft aus § 317 Abs. 3 AktG (analog).Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anhang § 13, Konzernrecht der GmbH, Rn. 117-123

78Der Gewinnabführungsanspruch ist ein auf Geldleistung gerichteter Anspruch, der mit dem Bilanzstichtag der abführenden Gesellschaft entsteht.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 702 Gegen diesen Anspruch kann die Untergesellschaft ihre gegen die Obergesellschaft zustehenden Zahlungsansprüche gemäß §§ 387 ff. BGB aufrechnen.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 185 Für den Zeitraum bis zur tatsächlichen Gewinnabführung ist die Vereinbarung einer Verzinsung möglich.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 702

bbb)     Ausgleichsanspruch an außenstehende Gesellschafter

79§ 304 AktG sieht vor, dass außenstehende Gesellschafter einen Ausgleich für die entgangenen zukünftigen Gewinne in der Form einer laufenden Leistung erhalten. Deren Bemessung richtet sich nach dem voraussichtlichen durchschnittlichen Gewinnanteil, welcher sich sowohl an bisheriger Ertragslage als auch an zukünftigen Ertragsaussichten orientiert. Hat die abhängige Gesellschaft also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses außenstehende Gesellschafter, so muss der Vertrag kompensierend Ausgleichs- und Abfindungsregelungen analog §§ 304, 305 AktG zugunsten dieser Minderheitsgesellschafter enthalten.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 121

80Gleichermaßen verpflichtet § 305 AktG das herrschende Unternehmen, den außenstehenden Gesellschaftern eine angemessene Abfindung ihrer Anteile anzubieten. Dieser Abfindungsanspruch zielt im Falle der GmbH als beherrschter Gesellschaft grundsätzlich auf eine Barabfindung. Zudem sind vertragliche Ergänzungen zum gesetzlichen Regelungsmodell (z.B. zur Berechnung des abzuführenden Gewinns oder zur Dotierung von Rücklagen) sowohl zulässig als auch empfehlenswert.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 704  Dies gilt auch z.B. für Regelungen zur (ordentlichen und außerordentlichen) Kündigung des Vertrages.

ccc)      Steuerliche Organschaft

81Der handelsrechtlich wirksam zustande gekommene Ergebnisabführungsvertrag führt zur Organschaft im steuerrechtlichen Sinne (§§ 14, 17 KStG).Neumann, in: Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 193  Konsequenterweise ist nur noch die Obergesellschaft Steuerschuldnerin im gewerbe- und körperschaftsteuerrechtlichen Sinne hinsichtlich der saldierten Gewinne;Wicke, in: Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. § 13: Praxiswichtige Fragen des GmbH-Konzernrechts, Rn. 2 in der Bilanz der abhängigen Gesellschaft entsteht kein Gewinn mehr.

82Nach § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2  KStG setzt die Anerkennung der körperschaftsteuerlichen Organschaft außerdem die Beachtung der §§ 301 und 302 AktG, d.h. insbesondere die Verpflichtung der Obergesellschaft zum Ausgleich eines etwaigen Jahresfehlbetrags der Untergesellschaft voraus. Weitere Voraussetzungen für die Anerkennung der steuerrechtlichen Organschaft sind eine finanzielle Eingliederung im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStGDie Obergesellschaft muss an der Untergesellschaft v. Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihr die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Untergesellschaft zusteht  sowie der Abschluss des Gewinnabführungsvertrags auf mindestens fünf Jahre unter Durchführung desselben während seiner gesamten Geltungsdauer (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 KStG).

cc)       Schutzmechanismen zugunsten der Untergesellschaft beim Unternehmensvertrag
aaa)      Verlustausgleichspflicht

83Zum Schutz der abhängigen Gesellschaft ist die Obergesellschaft bei Vorliegen eines Unternehmensvertrages nach § 302 AktG zum Ausgleich des Jahresverlusts der abhängigen Gesellschaft verpflichtet. Die Vorschrift des § 302 AktG kompensiert – ergänzt durch § 303 AktG – die Lockerung der Vermögensbindung gem. § 291 Abs. 3 AktG bzw. § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG und legitimiert den unternehmerischen Fremdeinfluss aufgrund Beherrschungsvertrages bzw. beim Gewinnabführungsvertrag die Dienstbarmachung einer Gesellschaft für fremde Zwecke.Servatius in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, Konzernrecht Rn. 192  Der Rechtsgedanke dieser für den Aktienrechtskonzern maßgebenden Vorschrift findet auch auf den GmbH-Konzern Anwendung.BGH, Urteil vom 11. 10. 1999 - II ZR 120–98

84Die Ausgleichspflicht ist auf den Ausgleich des gesamten Jahresfehlbetrags gerichtet, selbst wenn die auszugleichenden Verluste das Stammkapital der abhängigen GmbH nicht berühren; das Stammkapital kann also am Bilanzstichtag auch ohne den Verlustausgleich noch gedeckt sein.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 103  Der auf Geldzahlung ausgerichtete Ausgleichsanspruch entsteht und ist fällig am Bilanzstichtag, und nicht erst mit Feststellung des Jahresabschlusses.Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 72  Ab dem Fälligkeitszeitpunkt ist er zudem zu verzinsen.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 21 Die GmbH im Konzern, Rn. 64 Der Verlustausgleichsanspruch verjährt zehn Jahre nach Bekanntmachung der Beendigung des Unternehmensvertrags (analog § 302 Abs. 4 AktG).

85Ein Verzicht oder Vergleich über den Ausgleichsanspruch ist analog § 302 Abs. 3 S. 1 AktG frühestens drei Jahre nach Bekanntmachung der Beendigung des Unternehmensvertrags und nur unter den Voraussetzungen des § 302 Abs. 3 S. 3 AktG möglich.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 930: Danach wird der Verzicht oder Vergleich nur wirksam, wenn die außenstehenden Gesellschafter durch Sonderbeschluss zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen 10% des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.  Ein Verstoß gegen diese Vorschrift fällt unter § 134 BGB, sodass ein Verzicht oder Vergleich vor Ablauf der Sperrfrist nichtig ist.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 930

86Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Aufrechnung (z.B. mit Darlehensforderungen aus einem Cash-Pool-System) der herrschenden Gesellschaft gegen einen Verlustausgleichsanspruch zulässig und wirksam, sofern die zur Aufrechnung gestellte Forderung werthaltig ist.BGH, Urteil v. 10.7.2006 – II ZR 238/04 (OLG Jena)  Die Beweislast für die Werthaltigkeit trägt das herrschende Unternehmen.BGH, Urteil v. 10.7.2006 – II ZR 238/04 (OLG Jena) Auch Leistungen an Erfüllungs statt sind zulässig, soweit sie ebenfalls werthaltig sind und feststeht, auf welchen Ausgleichsanspruch sie angerechnet werden sollen.Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 73 Die Befriedigung anderer Gläubiger der abhängigen Gesellschaft kann zur Erfüllung des Verlustausgleichsanspruchs führen, sofern die Drittforderungen werthaltig sind.Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 73

bbb)     Schutz der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft

87Die Gläubiger der Untergesellschaft können zunächst den Verlustausgleichsanspruch pfänden und sich überweisen lassen.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 21 Die GmbH im Konzern, Rn. 70  Nach Beendigung des Unternehmensvertrags werden die Gläubiger der Untergesellschaft zusätzlich dadurch geschützt, dass die Obergesellschaft ihnen analog § 303 AktG Sicherheit zu leisten hat. Anspruchsberechtigt sind diejenigen Gläubiger, die sich innerhalb von sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung der Vertragsbeendigung zu diesem Zwecke bei der Obergesellschaft melden. Ist die Untergesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits insolvent, wandelt sich der Anspruch auf Sicherheitsleistung in einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen die Obergesellschaft.Altmeppen, in: MüKo, AktG, 5. Aufl. 2020, § 303 Rn. 41 ff. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll ausreichend sein

88Der Anspruch auf Sicherheitsleistung setzt ferner die Begründetheit der Gläubigerforderung im Zeitpunkt vor der Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister voraus, § 303 Abs. 1 S. 1 AktG. Unerheblich ist die Fälligkeit der Forderung.BGH, Urt. v. 11.11.1991 - II ZR 287/90 (Koblenz).  Aufgrund dieser Wertung entstehen Probleme im Hinblick auf Dauerschuldverhältnisse und Sukzessivlieferungsverträge, da Ansprüche aus solchen Vertragsarten bereits mit Vertragsschluss entstehen; Konsequenz dessen wäre eine Endloshaftung.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 935  Zur Begrenzung der Nachhaftung hält die Rechtsprechung den Ablauf einer Frist von fünf Jahren ab Bekanntmachung für eine Enthaftung für ausreichend, analog §§ 26, 160 HGB, § 327 Abs. 4 AktG.BGH, Urt. v. 7.10.2014 – II ZR 361/13 (OLG Braunschweig).

dd)       Zustandekommen des Unternehmensvertrags

89Die Voraussetzungen für den wirksamen Abschluss eines Unternehmensvertrages i.S.v. §§ 291, 292 AktG regeln die §§ 293 ff. AktG für alle Vertragstypen weitgehend einheitlich.Servatius, in: BeckOK, GmbHG, Ziemons/Jaeger/Pöschke, 54. Edition, Konzernrecht Rn. 70  Seit dem so genannten Supermarkt-Beschluss des BGH, spätestens aber seit Kodifizierung des § 30 I 2 GmbHG in der Fassung des MoMiGGesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen; BT-Drs. 16/9737, Art. 1 Nr. 20  ist grundsätzlich klargestellt, dass Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge als Unternehmensverträge auch mit einer GmbH als Untergesellschaft abgeschlossen werden können.Schöning/Steininger, in: NZG 2022, 253  Die §§ 293 ff. AktG gelten originär auf die Aktiengesellschaft, ihre analoge Anwendbarkeit der §§ 293 ff. AktG auf eine GmbH als herrschendes oder beherrschtes Unternehmen bzw. Organträger (Obergesellschaft) oder Organgesellschaft (Untergesellschaft) ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.Eine weiterführende Übersicht findet sich bei Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Konzernrecht Rn. 94

90Neben dem eigentlichen Vertragsschluss zwischen den beteiligten Gesellschaften sind für das Zustandekommen eines Unternehmensvertrags weiter erforderlich: (i) Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der abhängigen sowie (ii) der herrschenden Gesellschaft und (iii) Anmeldung und Eintragung im Handelsregister zur Wahrung der Registerpublizität.Wicke, in: Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. § 13: Praxiswichtige Fragen des GmbH-Konzernrechts, Rn. 6  Ohne die notwendigen Zustimmungserklärungen der Ober- und der Untergesellschaft sowie der Eintragung im Handelsregister (der Untergesellschaft) ist der Vertrag nicht schwebend unwirksam, sondern noch nicht existent.Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 63

aaa) Rechtsnatur

91Unternehmensverträge gemäß § 291 AktGDie in § 292 AktG genannten Unternehmensverträge werden hingegen überwiegend als schuldrechtliche Austauschverträge klassifiziert; vgl. Paschos, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, AktG § 291 Rn. 4  verändern die rechtliche und wirtschaftliche Struktur der Untergesellschaft und wirken bei dieser infolge der Überlagerung des Gesellschaftsinteresses durch das Konzerninteresse wie eine zeitlich begrenzte Satzungsänderung.BGH, Beschluss vom 24-10-1988 - II ZB 7/88 (Ergangen auf Vorlagebeschluss des BayObLG)  Aufgrund des damit einhergehenden Eingriffs in die Organisations- und Finanzverfassung der Untergesellschaft werden sie als Organisationsverträge verstanden.Paschos, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, AktG § 291 Rn. 4

bbb) Abschluss; Rückwirkung

92Unternehmensverträge sind keine gewöhnlichen Austauschverträge.Anders die in § 292 AktG aufgeführten, so genannten, anderen Unternehmensverträge  Zwar erfolgt die Unterzeichnung eines Unternehmensvertrags, z.B. Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags, rein formal durch die vertretungsberechtigten Organe der beteiligten Gesellschaften, bei einer GmbH also durch die Geschäftsführer gemäß § 35 GmbHG. Deren gesetzliche Vertretungsbefugnis ist jedoch für den wirksamen Abschluss nicht ausreichend; vielmehr ist die Gesellschafterversammlung zuständig.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Konzernrecht Rn. 101-103  Die Geschäftsführer dürfen – auf Grundlage eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (dazu unten) – nur den formalen Akt der Unterzeichnung vornehmen.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Konzernrecht Rn. 101-103

93Während gegen eine Rückbeziehung der Gewinnabführungspflicht auf den Beginn des im Eintragungszeitpunkt laufenden Geschäftsjahrs keine Bedenken bestehen, kann das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht nicht rückwirkend begründet werden.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 109

ccc) Form

94Analog § 293 Abs. 3 AktG bedarf der Vertragstext der Schriftform im Sinne von § 126 BGB, sodass er von den Vertretungsorganen der beteiligten Gesellschaften unterzeichnet bzw. elektronisch signiert (vgl. § 126a BGB) werden muss.Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 31  

Eine notarielle Beurkundung ist aufgrund § 15 Abs. 4 GmbHG erforderlich, wenn der Unternehmensvertrag ein Umtausch- oder Abfindungsangebot für außenstehende Gesellschafter beinhaltet.Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 31

95Die bei Verstößen gegen das Formerfordernis drohende Nichtigkeit des Unternehmensvertrags nach § 125 BGB wird durch die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft eingeschränkt.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 67  Danach wird ein in Vollzug gesetzter, unwirksamer Unternehmensvertrag für die Vergangenheit als wirksam betrachtet.Altmeppen, in: MüKo, AktG, 5. Aufl. 2020, § 291 Rn. 196 f.  Zum Vollzug muss die Obergesellschaft bereits Weisungen an die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft erteilt oder deren Verluste ausgeglichen haben.BGH, Urt. v. 11.11.1991 – II ZR 287/90 (Koblenz).

ddd) Gesellschafterbeschluss der abhängigen GmbH

96Der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter der abhängigen GmbH zum Abschluss des Unternehmensvertrags bedarf analog § 53 Abs. 2 GmbHG der notariellen Beurkundung.Kiefner, in: Priester/Mayer/Wicke, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, Bd. 3, § 70 Rn. 5  Grund sind die durch einen Unternehmensvertrag bewirkten Eingriffe in den Gesellschaftszweck sowie die Zuständigkeitskompetenz der Gesellschafter und ihr Gewinnbezugsrecht, die „satzungsgleich die rechtliche Grundstruktur der sich der Beherrschung unterstellenden GmbH“ ändern.BGH, Beschluss v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 = NJW 1989, 295 (298) – Supermarkt Dieser Vorgang hat nicht nur einer Satzungsänderung vergleichbare Wirkung, sondern auch entsprechende Bedeutung, weswegen die Änderung des Gesellschaftsvertrages Beweissicherungs- und damit Rechtssicherheitsgründen unterliegt.BGH, Beschluss v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 = NJW 1989, 295 (298) – Supermarkt

-    Mehrheitserfordernis

97Nach § 293 Abs. 1 S. 2 AktG bedarf der Zustimmungsbeschluss einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Hinsichtlich der Übertragbarkeit dieser Regelung auf das GmbH-Konzernrecht bestehen unterschiedliche Ansichten, wobei der BGH diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat und, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden hat.BGH, Beschluss v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 = NJW 1989, 295 – Supermarkt, Leitsatzgrund Nr. 2  Diejenige Ansicht, welche eine qualifizierte (satzungsändernde) Mehrheit für ausreichend erachtet, begründet dies u.a. mit der Vergleichbarkeit zu allen Fällen der Strukturänderung nach dem UmwG, in denen eine satzungsändernde Mehrheit gerade ausreiche.Vgl. Hommelhoff,  in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Anh. zu § 13 Rn. 66 Zudem sichere das Erfordernis der satzungsändernden Mehrheit die Interessen der Minderheit weitgehend ab, zwingt ihr aber eine grundsätzliche Änderung ihrer Gesellschaft auf.Hommelhoff,  in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Anh. zu § 13 Rn. 66

98Hingegen verlangt die überwiegende Ansicht die Zustimmung aller Gesellschafter.Vgl. nur Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 75 m.w.N.  Die Begründung zielt auf bestehende Parallelen zwischen der AG und der GmbH ab sowie die Umkehr des Gesellschaftszwecks, da die abhängige Gesellschaft nun nicht mehr der Gewinnerzielung im Interesse ihrer Gesellschafter, sondern den unternehmerischen Interessen der Obergesellschaft zu dienen bestimmt sei.Kiefner, in: Priester/Mayer/Wicke, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, Bd. 3, § 70, Rn. 6 Alternativ bleibt die Möglichkeit, das Erfordernis allseitiger Zustimmung gesellschaftsvertraglich abzubedingen und auf eine satzungsändernde Mehrheit abzusenken (ebenfalls umstritten).Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 70; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 40  In der Praxis wird daher regelmäßig zu empfehlen sein, die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter einzuholen.

-      Stimmrechtsausschluss

99Ob ein herrschendes Unternehmen bei der Beschlussfassung über die Begründung des Vertragskonzerns mit seinen eigenen Stimmen abstimmen darf oder einem Stimmrechtsauschluss unterliegt, wird ebenfalls uneinheitlich beantwortet. Die Beantwortung ist allerdings nach o.g. Ansicht, wonach solche Verträge ohnehin der Zustimmung aller bedürfen, für das GmbH-Recht unerheblich.

100Ungeachtet dessen erscheint die Überlegung jedenfalls nicht fernliegend, zu Lasten des herrschenden Unternehmens das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG eingreifen zu lassen. Diese Annahme übersieht allerdings die bereits höchstrichterlich entschiedene Wertung, wonach § 47 Abs. 4 GmbHG bei Strukturentscheidungen und sonstigen korporationsrechtlichen Rechtsgeschäften unanwendbar ist.BGH, Urteil v. 29. 9. 1955 - II ZR 225/54 (Hamm); BGH, Urt. v. 9.12.1968 – II ZR 57/67, BGHZ 51, 209 (216); BGH, Urt. v. 31.5.2011 − II ZR 109/10 (OLG Dresden)  Stattdessen soll das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG nur Interessenkonflikte im Zusammenhang mit privaten Sonderinteressen eines Gesellschafters erfassen, nicht aber die Ausübung reiner Mitgliedschaftsinteressen.BGH, Urt. v. 31.5.2011 − II ZR 109/10 (OLG Dresden) = NZG 2011, 902 (903); Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 93 Nichts anderes als die Ausübung von Mitgliedschaftsinteressen ist die Mitwirkung an innergesellschaftlichen Organisationsakten.

-        Prüfungs-, Informations-, und Berichtspflichten

101Die §§ 293a ff. AktG beinhalten für Unternehmensverträge, bei denen eine AG oder KGaA beteiligt ist, weitreichende Prüfungs-, Informations-, und Berichtserfordernisse zur Gewährleistung einer sachgerechten Entscheidungsfindung für die abstimmenden Aktionäre. Ob für das GmbH-Konzernrecht ein Gleichlauf dieser Erfordernisse analog dieser Vorschriften erfolgen soll, wird unterschiedlich beurteilt, da der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen hat.Altmeppen, in: MüKo, AktG, 5. Aufl. 2020, § 293a Rn. 12 ff. Im Einzelfall ist eine etwaige analoge Anwendungen je nach Konzern-Konstellation – GmbH wird von AG beherrscht, AG wird von GmbH beherrscht oder GmbH beherrscht GmbH – zu prüfen.Weiterführend dazu: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 293a Rn. 10-13

eee)      Gesellschafterbeschluss der herrschenden Gesellschaft

102Auch die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der herrschenden Gesellschaft ist Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluss eines Unternehmensvertrags, da dieser auch für die Gesellschafter der Obergesellschaft aufgrund der Verlustausgleichpflicht nach § 302 AktG nachteilig wirkt.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 775  Die Pflicht zur Zustimmung gilt unabhängig davon, ob die abhängige Gesellschaft eine AG oder GmbH ist.Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 293 Rn. 46 Der Beschluss bedarf analog § 293 Abs. 2 S. 2 AktG einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen, während eine notarielle Beurkundung sowie ein Bericht nach § 293a AktG nicht erforderlich sind.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 103; Krafka, in: Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 1111; sofern es sich bei der Obergesellschaft um eine AG handelt, ist der Gesellschafterbeschluss wegen § 130 Abs. 1 AktG hingegen notariell zu beurkunden

fff)        Konstitutive Eintragung in das Handelsregister

103Ein Unternehmensvertrag wird erst mit Eintragung ins Handelsregister der Untergesellschaft wirksam (konstitutive Wirkung).BGH, Beschluss v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 = BGH NJW 1989, 295  Die Eintragung im Handelsregister der herrschenden Gesellschaft ist nicht eintragungsfähig, auch nicht auf freiwilliger Basis.AG Duisburg DB 1993, 2522; AG Erfurt GmbHR 1997, 75  Die Anmeldung zum Handelsregister der Untergesellschaft erfolgt durch deren Geschäftsführer bzw. gemäß § 378 Abs. 2 FamFG durch den amtierenden Notar. Gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GmbHG sind der Zustimmungsbeschluss sowie der Unternehmensvertrag und entsprechend § 294 Abs. 1 S. 2 AktG auch der Zustimmungsbeschluss der Obergesellschaft beizufügen.DNotI-Report 2012, 42 (45); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 32

ee) Beendigung des Unternehmensvertrags

104Ausdrücklich für das AktG geregelt sind die Vertragsaufhebung (§ 296 AktG), die außerordentliche Kündigung (§ 297 AktG) und die Vertragsbeendigung beim erstmaligen Eintritt außenstehender Aktionäre (§ 307 AktG).

aaa) Ordentliche Kündigung

105Vorschriften zur ordentlichen Kündigung eines Unternehmensvertrags fehlen im AktG. Die ordentliche Kündigung eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags kommt daher nur in Betracht, wenn der Vertrag diese Möglichkeit (für eine oder beide Parteien) vorsieht.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 237  Entgegen dem die Aufhebung regelnden § 296 Abs. 1 S. 1 AktG, gemäß dem ein Unternehmensvertrag nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden kann, erlaubt die ordentliche Kündigung eine Bezugnahme auf einen anderen Zeitpunkt (z.B. den Ablauf von fünf Jahren).Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 237

- Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Untergesellschaft

106Die ordentliche Kündigung eines Unternehmensvertrags durch die beherrschte GmbH ist nach der herrschenden Meinung,DNotI-Report 2012, 42 (45); anderer Auffassung m. w. N: Servatius, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, Rn. 269a  die sich auf die Rechtsprechung des BGHBGH, Urt. v. 31.05.2011 - II ZR 109/1  stützt, als innergesellschaftlicher Organisationsakt zu werten, der eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter der beherrschten Gesellschafter und einer Dreiviertelmehrheit bedarf.

107Eine höchstrichterliche Entscheidung, ob der Gesellschafterbeschluss eine notarielle Beurkundung erfordert, steht noch aus. Der BGH hält jedoch den mit einer Kündigung verbundenen Eingriff für "nicht schwächer" als den bei Abschluss eines Unternehmensvertrags.DNotI-Report 2012, 42 (45) Diesen Topos der "Änderung der Organisationsstruktur" verwendete der BGH auch im Zusammenhang mit der Herleitung des Beurkundungserfordernisses für den Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss eines Unternehmensvertrags, weswegen die Literatur überwiegend eine notarielle Beurkundung fordert.DNotI-Report 2012, 42 (45); Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 1039; Müller-Eising/Schmitt, in: NZG 2011, 1100 (1101); abweichend: Servatius, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, Rn. 269b  Aus Rechtssicherheitsgründen ist dem im Wege einer analogen Anwendung von § 53 GmbHG zu folgen und der Zustimmungsbeschluss ist zu beurkunden.

- Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft

108Infolge einer BGH-EntscheidungBGH, Urt. v. 31.05.2011 - II ZR 109/10  empfehlen Literaturstimmen,DNotI-Report 2012, 42 (46); Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 127 auf der Ebene der herrschenden Obergesellschaft vorsorglich ebenfalls einen Zustimmungsbeschluss mit einer Dreiviertelmehrheit einzuholen; jedoch soll insoweit auf eine notarielle Beurkundung verzichtet werden können.

bbb) Außerordentliche Kündigung

109Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden und ist – im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung – auch ohne vertragliche Grundlage zulässig.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 130

110Für die UntergesellschaftDies kann auch, wie mehrfach erwähnt, die GmbH sein. Vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 297 Rn. 62-64  liegt ein wichtiger Grund in Anlehnung an § 297 Abs. 1 S. 2 AktG vor, wenn sich die wirtschaftliche Position der Obergesellschaft so verschlechtert, dass sie ihre vertraglichen Verpflichtung (zur Verlustübernahme und Sicherheitsleistung gemäß §§ 302, 303 AktG analog) voraussichtlich nicht erfüllen kann. Negative Entwicklungen bei der Untergesellschaft dürften nur selten als wichtiger Grund für eine Kündigung seitens der Obergesellschaft genügen, da die Obergesellschaft das Risiko wirtschaftlichen Misserfolgs grundsätzlich hinzunehmen hat.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 126. Weitere Beispiele finden sich unter anderem bei Vogt, in: Beck'sches Handbuch der GmbH, Prinz/Winkeljohann, 6. Aufl. 2021, § 21 Rn. 226 ff.

- Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Untergesellschaft

111Ob bei einer außerordentlichen Kündigung des Unternehmensvertrags durch die beherrschte GmbH ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung derselben notwendig ist, wird unterschiedlich beurteilt.Zum Meinungsstand: Altmeppen, in Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 103-106  Der BGH hat diese Frage, soweit ersichtlich, noch nicht explizit entschieden.

112Da die Wirkungen der Vertragsbeendigung bei einer ordentlichen als auch bei einer außerordentlichen Kündigung (siehe oben) gleichermaßen eintreten, liegt es an sich nahe, wegen der verbleibenden Rechtsunsicherheit vorsorglich einen Gesellschafterbeschluss zu fassen. Auf Basis der für die ordentliche Kündigung dargestellten Erwägungen wäre der Beschluss konsequenterweise analog § 53 GmbHG zu beurkunden. Im Ergebnis würde das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses dazu führen, dass das herrschende Unternehmen durch seine Stimmmehrheit die außerordentliche Kündigung vereiteln könnte („Richten in eigener Sache“).Altmeppen, in Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 105  Ferner bleibt der Wertungswiderspruch zwischen der Rechtslage in der AG (die außerordentliche Kündigung ist Angelegenheit des Vorstands und die Schriftform ist ausreichend, vgl. § 297 Abs. 3 AktG) und GmbH (auf Basis der BGH-Rechtsprechung wäre ein notariell zu beurkundender Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich). Insofern sprechen durchaus gewichtige Gründe gegen einen (notariellen) Zustimmungsbeschluss.

- Zustimmungsbeschluss der Obergesellschaft

113Ob bei einer außerordentlichen Kündigung des Unternehmensvertrags durch die herrschende Gesellschaft ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung derselben notwendig ist, wird unterschiedlich beurteilt.Servatius, in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, Konzernrecht, Rn. 283, 284 Auf Basis der für die ordentliche Kündigung dargestellten Erwägungen wäre der Beschluss privatschriftlich und mit einer Dreiviertelmehrheit zu fassen.

ccc) Aufhebung

114Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge können von den Vertragsparteien jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden. Die Aufhebungsvereinbarung bedarf analog § 296 Abs. 1 S. 3 AktG der Schriftform.OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.08.1994 – 3 Wx 178/94 = NJW-RR 95, 233, 234 Der Unternehmensvertrag kann nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden. Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig (§ 296 Abs. 1 S. 2 AktG).Krafka, in: Kraft, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 1110-1118  Aus diesem Grund wird daher in der Praxis durch satzungsändernden Beschluss ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet, wobei die Satzungsänderung unbedingt vor Ablauf des verkürzten Rumpfgeschäftsjahrs in das Handelsregister eingetragen sein muss.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 251; Römermann, in: Römermann, Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 4. Aufl. 2018, § 20 Die GmbH im Konzern, Rn. 118. Vgl. im Übrigen § 7 Abs. 4 S. 3 KStG wonach – steuerrechtlich – zur Änderung des Geschäftsjahrs Einvernehmen mit dem Finanzamt erforderlich ist. 

115Die Aufhebung bedarf – als actus contrariusDNotI-Report 2012, 42 (45); Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 125  zum Vertragsschluss – eines notariell beurkundeten Zustimmungsbeschlusses der Untergesellschaft.Kiefner, in: Priester/Mayer/Wicke, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Band 3, § 70, Rn. 40; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 114a  Auf Ebene der Obergesellschaft hängt die Wirksamkeit der Aufhebung nicht von einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung ab. Ein Zustimmungsbeschluss ist nach der herrschenden Auffassung entbehrlich.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 125; Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 205. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 03.06.1994 - 4 W 122/93 = NJW 1994, 1062  Die notwendige Eintragung der Vertragsbeendigung in das Handelsregister hat analog § 298 AktG nur deklaratorische Bedeutung.BGH, Urt. v. 11.11.1991 – II ZR 287/90

ddd) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

116Unter Geltung der Konkursordnung ließ die Rechtsprechung einen Unternehmensvertrag automatisch enden, sobald das Konkursverfahren über das Vermögen einer Vertragspartei eröffnet war.BGH, Urt. v. 14.12.1987 - II ZR 170/87 (Schleswig) = NJW 1988, 1326. Ferner: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 297 Rn. 52-52b m.w.N.  Die Fortgeltung dieser Ansicht ist nach Einführung der Insolvenzordnung deutlicher Kritik ausgesetzt. Ein einheitliches Meinungsbild hat sich indessen noch nicht gezeigt. Insgesamt spricht sich die überwiegende Auffassung gleichwohl für eine automatische Beendigung des Unternehmensvertrags aus.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 261 sowie Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 297 Rn. 52-52b m.w.N., auch zum Fall der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO.  Eine Insolvenz nur der abhängigen Gesellschaft besitzt keine praxisrelevanz, da diese wegen der Pflicht zur Verlustübernahme nicht insolvent werden kann. Die Insolvenz der abhängigen Gesellschaft setzt immer die zuvor eingetretene Insolvenz der herrschenden Gesellschaft voraus, bei deren Eintritt der Unternehmensvertrag ohnehin schon automatisch beendet wäre.Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13. Konzernrecht der GmbH, Rn. 94

eee) Maßnahmen nach dem UmwG

117Die Verschmelzung einer Untergesellschaft auf einen aufnehmenden Rechtsträger als auch die Aufspaltung der Untergesellschaft zur Aufnahme nach dem UmwG führen zu einer automatischen Beendigung des Unternehmensvertrages.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 136; Kiefner, in: Priester/Mayer/Wicke, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Band 3, § 70, Rn. 35  Dies gilt auch, wenn die Parteien eines Unternehmensvertrages aufeinander verschmolzen werden.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 17 Die GmbH im Konzern, Rn. 236  Wird die herrschende Gesellschaft mit einem Dritten verschmolzen, geht der Unternehmensvertrag auf das neue Unternehmen über.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 136

fff) Relevanz von außenstehenden Gesellschaftern

118Nach § 307 AktG endet ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer 100 %-Tochtergesellschaft mit Ablauf des Geschäftsjahrs, in dem ein außenstehender Gesellschafter in die abhängige Gesellschaft eintritt. Eine analoge Anwendung auf das GmbH-Konzernrecht wird unterschiedlich beurteilt.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 17 Die GmbH im Konzern, Rn. 234; Gegen eine analoge Anwendung: Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 119; Mues, in: RNotZ 2005, 2 (29); Priester, in: FS Peltzer, 2010, 327; dafür Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, AktG § 307 Rn. 6; Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 250  Hintergrund für die ablehnende Sichtweise ist die Regelung des § 304 Abs. 3 S. 1 AktG, wonach ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nichtig ist, wenn er keinen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre regelt. Das GmbH-Konzernrecht erlaubt nach allgemeiner Ansicht jedoch gerade den durch Zustimmung der außenstehenden Gesellschafter erklärten Verzicht auf diesen Ausgleich.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 119; Hegemann, in: GmbHR 2012, 315 (319 f.); a.A. Servatius, in: Michalski, GmbHG, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 4 Rn. 250

119Für die Praxis empfiehlt sich mangels höchstrichterlicher Klärung, im Falle der Beteiligung eines außenstehenden Gesellschafters an einer GmbH als Organgesellschaft den vorhandenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufzuheben, verbunden mit einem neuen Vertragsschluss, der eine Ausgleichzahlung (§ 304 AktG) sowie ein Abfindungsangebot (§ 305 AktG) bzw. einen entsprechenden Verzicht des neuen Gesellschaftes beinhaltet.Göhmann/Winnen, in: RNotZ 2015, 53 (64)

ggg) Vertragsänderung

120Die Änderung folgt den Regeln für den Abschluss des Unternehmensvertrages.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 124  Dies gilt auch bei lediglich redaktionellen oder anderweitigen geringfügigen Änderungen.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 232  Die Änderungsvereinbarung ist zunächst an das Schriftformerfordernis gebunden (analog §§ 295 Abs. 1 S. 2, 293 Abs. 3 AktG). Darüber hinaus bedarf es für die Untergesellschaft eines notariell zu beurkundenden Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung derselben, der eine Dreiviertelmehrheit benötigt. Außerdem wird ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft benötigt, der einer Dreiviertelmehrheit bedarf, jedoch keiner notariellen Beurkundung (außer es handelt sich um eine AG).Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 110  Wirksam wird die Vertragsänderung sodann mit Eintragung im Handelsregister der Untergesellschaft (Inhalt und Anlagen der Registeranmeldung sind ebenfalls beizufügen), §§ 295 Abs. 1 S. 2, 294 Abs. 2 AktG.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 17 Die GmbH im Konzern, Rn. 212

Bild6
ff) Rechtsfolgen der Beendigung

121Die Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrags im Handelsregister hat nur rechtsbezeugende (deklaratorische) Bedeutung.Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 71 Rn. 219  Ab der Eintragung beginnt die Sechsmonatsfrist des § 303 AktG, innerhalb derer sich etwaige Gläubiger der Untergesellschaft zwecks Forderung einer Sicherheitsleistung melden müssen.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 235

122In steuerlicher Hinsicht lässt die Beendigung eines Gewinnabführungsvertrags – außer bei Kündigung durch wichtigen Grund (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 KStG) – vor Ablauf von fünf Jahren rückwirkend die steuerliche Organschaft entfallen (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Regelmäßig laufen Gewinnabführungsverträge daher auf fünf Jahre (ggf. mit automatischer Verlängerung), sodass zumindest die ordentliche Kündigung während dieses Zeitraums ausgeschlossen ist.Kessler, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 13: Konzernrecht, Rn. 239

123In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht entfallen mit wirksamer Vertragsbeendigung die konzernrechtliche Leitungsmacht,Zumindest für den Beherrschungsvertrag bzw. kombinierten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Der isolierte Gewinnabführungsvertrag vermittelt keine konzernrechtliche Leitungsmacht, siehe dazu oben Fußnote 72  das Weisungsrecht gegenüber der beherrschten Gesellschaft, der Gewinnabführungsanspruch der Obergesellschaft sowie deren Verpflichtung zum Verlustausgleich. Nach Beendigung hat die Obergesellschaft den Gläubigern auf deren Verlangen Sicherheit zu leisten, soweit deren Forderungen bereits vor Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrags ins Handelsregister begründet waren (§ 303 AktG). Im mehrstufigen Konzern können nur die Gläubiger der jeweiligen abhängigen Gesellschaft den Anspruch nach § 303 AktG verfolgen, bei Beendigung eines Beherrschungsvertrags zwischen Mutter und Tochter also nicht etwa die Gläubiger der Enkelgesellschaft.Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 71 Rn. 224

gg) Unternehmensverträge anderer Art

124Bei den anderen Unternehmensverträge handelt es sich primär um schuldrechtliche Austauschverträge, die nicht in das Organisationsgefüge der Untergesellschaft eingreifen. Zu nennen sind die Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG), der Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) sowie der Betriebspachtvertrag oder Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Verglichen zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag haben sie wenig Praxisrelevanz.

g)       Faktischer GmbH-Konzern

125Für die Aktiengesellschaft hat der Gesetzgeber in den §§ 311 ff. AktG Regelungen vorgesehen, um potentiellen Gefahren für die abhängige AG oder KGaA, deren Gläubiger und Aktionäre (vgl. §§ 311, 312 AktG „Besteht kein Beherrschungsvertrag…“, ferner § 317 AktG „…mit der kein Beherrschungsvertrag besteht…“) zu begegnen. Charakteristisch für die §§ 311 ff. AktG ist, dass die Abhängigkeit vom herrschenden Unternehmen nicht kraft eines Beherrschungsvertrags vermittelt wird. Vielmehr ist die Möglichkeit der Einflussnahme (vgl. §§ 311, 17 AktG) ausreichend. Vor diesem Hintergrund wird vom „faktischen Konzern“ gesprochen. Die Regelungen der §§ 311 ff. AktG zum faktischen Konzern erfassen insbesondere Zulässigkeit und Schranken nachteiliger Einzelmaßnahmen. Beispielsweise sind nachteilige Weisungen des herrschenden Unternehmens ohne Vorliegen eines Beherrschungsvertrags nur zulässig, wenn am Geschäftsjahresende ein Ausgleich für die konkret entstandenen Nachteile erfolgt, § 317 Abs. 1 AktG, und der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft hat einen Abhängigkeitsbericht aufzustellen (§ 314 AktG).

aa) Schädigungsverbot

126Das GmbHG hingegen enthält keine den §§ 311ff. AktG vergleichbaren Regelungen, wenngleich faktische GmbH-Konzerne in der Praxis sehr häufig vorkommen – die GmbH ist bekanntermaßen aufgrund des umfassenden Weisungsrechts ihrer Gesellschafter (§ 37 GmbHG) idealer Konzernbaustein.Drygala, in: Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-Geschäftsführung, 3. Aufl. 2020, § 41 Rn. 24  Anders als für den AG-Vertragskonzern wird eine analoge Anwendung der originär für die AG und KGaA zugeschnittenen Vorschriften des faktischen AG-Konzerns auf die konzernierte GmbH in RechtsprechungBGH, Urteil vom 17. 9. 2001 - II ZR 178/99 (Bremen)  und LiteraturJaspers/Schiller, in: GWR 2022, 107 m.w.N.  ganz überwiegend abgelehnt. Verfügt eine konzerneingebundene GmbH allerdings über außenstehende Gesellschafter, werden diese über eine Ausrichtung der Geschäfte der Gesellschaft allein auf das Konzerninteresse wenig glücklich sein.Leuering/Rubner, in: NJW-Spezial 2018, 527  Mittels des Schädigungsverbots im GmbH-Konzernrecht werden sie und auch die Gläubiger geschützt.Leuering/Rubner, in: NJW-Spezial 2018, 527

127Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wird für das herrschende Unternehmen ein Schädigungsverbot abgeleitet, das im Grundsatz besagt, dass eine abhängige GmbH nicht im Konzerninteresse, sondern so zu führen ist, wie es in deren eigenem Unternehmensinteresse liegt, namentlich also so, dass ihre wirtschaftliche Stabilität, ihre Ertragskraft und ihre Zukunftschancen nicht gemindert werden.Leuering/Rubner, in: NJW-Spezial 2018, 52  Das Schädigungsverbot umfasst mehrstufige Abhängigkeitsverhältnisse, z.B. auch zwischen einer Mutter- und Enkelgesellschaft, hat also eine konzerndimensionale Reichweite.Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019, Anh. § 318 Rn. 28

aaa) Gesteigerte Treuepflicht

128Im Rahmen eines Konzernverhältnisses trifft das herrschende Unternehmen eine gesteigerte Treuepflicht.BGH, Urteil v. 5.12.1983 = NJW 1984, 1351 – Heumann/Ogilvy  Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen zugunsten der Vermögensinteressen der Gesellschafterminderheit, ist jegliche Schädigung bzw. nachteilige Einflussnahme auf die abhängige GmbH durch das herrschende Unternehmen ohne Zustimmung der außenstehenden Gesellschafter rechtswidrig.BGH, Urteil v. 5.6.1975 = NJW 1976, 191 – ITT  Auch Weisungen, die zwar keinen Vermögensnachteil mit sich ziehen, jedoch nicht dem Unternehmensinteresse der abhängigen GmbH entsprechen, sind nach diesem Maßstab unzulässig.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 42

129Das Schädigungsverbot greift selbst dann, wenn der Schaden oder ein sonstiger Nachteil sofort ausgeglichen wird, da die Privilegierungsfunktion des § 311 AktG im GmbH-Recht keine Anwendung findet.Hommelhoff,  in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Anh. zu § 13 Rn. 39  Das dort zum Ausdruck kommende Prinzip "Schädigung gegen Ausgleich" ist also nicht einschlägig.Jaspers/Schiller, in: GWR 2022, 107  Denn selbst bei vollem Ausgleich bleibt die Maßnahme im Übrigen rechtswidrig und daher durch Unterlassungs- bzw. Beseitigungsklage angreifbar, wenn unternehmerische Interessen der Gesellschaft beeinträchtigt werden.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 57  Schließlich fehlt insoweit auch eine formalisierte Pflicht zur Erstattung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts (§ 312 AktG) sowie ein angemessener Durchsetzungsmechanismus.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 42

bbb) Ausnahme für die Einpersonen-Gesellschaft

130Das Schädigungsverbot greift weniger absolut bei der abhängigen Einpersonen-GmbH. Insoweit fehlt es an dem Eigeninteresse der Gesellschaft, welches dem Einfluss einzelner Gesellschafter Schranken auferlegt.BGH, Urteil v. 28.09.1992 - II ZR 299/91 (Hamm)  Das Schädigungsverbot gilt in diesen Fällen bis zur Grenze des Stammkapitalerhaltungsgebots (§§ 30 f. GmbHG) und der Existenzvernichtung.Leuering/Rubner, in: NJW-Spezial 2018, 527 f.  Die Weisungen müssen auch nicht im Unternehmensinteresse der Tochtergesellschaft liegen; ausreichend ist die Orientierung am Konzerninteresse und damit gleichzeitig an dem Interesse des herrschenden Unternehmens.Leuering/Rubner, in: NJW-Spezial 2018, 527 f.

ccc) Beispiele für Verstöße gegen Schädigungsverbot

131Folgende Fälle sind für Verstöße gegen das Schädigungsverbot im faktischen GmbH-Konzern praxisrelevant:Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 442; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Aufl. 2020, § 25 Rn. 20 ff.

  • Nachteilige Umsatzgeschäfte, welche sich durch ungleichwertige Leistungen zwischen dem abhängigen und dem herrschenden Unternehmen kennzeichnen;
  • (entschädigungslose) Inanspruchnahme von Vermögensgegenständen und Rechten der abhängigen Gesellschaft;
  • Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten durch das herrschende Unternehmen;
  • Maßnahmen der Risikoverlagerung innerhalb des Konzerns;
  • verdeckte Gewinnausschüttungen; und
  • Eingriffe in Geschäftschancen der abhängigen Gesellschaft.
bb) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Schädigungsverbot

132Kommt es zu einem Verstoß gegen das Schädigungsverbot bzw. einer Verletzung der Treuepflicht, stehen der abhängigen Gesellschaft neben Schadensersatzansprüchen auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu. Zusätzlich kann ein Verstoß gegen das Schädigungsverbot weitere Rechtsfolgen wie die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen herbeiführen.

aaa) Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft

133Art und Umfang des Anspruchs richten sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 280, 249 ff. BGB. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution ist die Rückgängigmachung der nachteiligen Maßnahme geschuldet. Das herrschende Unternehmen hat bei treuwidrigem Eingriff in die Geschäftschancen der abhängigen Gesellschaft zudem den erzielten Gewinn herauszugeben, § 252 BGB.Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Aufl. 2020, § 30 Rn. 15  Die haftungsbegründenden Voraussetzungen sind konzernspezifisch ausgestaltet.

- Kausalität

134Zunächst ist Kausalität notwendig, d.h. der Verstoß gegen das Schädigungsverbot muss durch die nachteilige Einflussnahme auf die abhängige GmbH durch das herrschende Unternehmen veranlasst worden sein. Ausreichend ist jedes Verhalten, wobei auch ein Tätigwerden nachgeordneter Stellen genügt, sei es durch eine Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung oder eine rein tatsächliche Einflussnahme.Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 70 Rn. 77

- Verschulden

135Maßstab hierfür ist die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns, § 43 GmbHG.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 59

136Abhängig von der Art der Einflussnahme im Einzelfall, kann eine Haftung entweder bereits bei leichter Fahrlässigkeit oder erst bei Vorsatz vorliegen.Liebscher, in: MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 472  Handelt das herrschende Unternehmen an der Gesellschafterversammlung vorbei und richtet sich direkt an die Geschäftsführer, so greift die Haftung bereits bei leicht fahrlässigen Verstößen gegen das Schädigungsverbot.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 59  Dagegen soll bei einer Beeinflussung über die Gesellschafterversammlung im Wege eines Weisungsbeschlusses die Haftung erst bei Vorsatz vorliegen.Liebscher, in: MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 474  Denn ein formell rechtmäßig zu Stande gekommener Gesellschafter­beschluss ist – unabhängig von dessen Inhalt – wirksam und bestandskräftig und kann somit auch nicht ohne weiteres zu einer Haftung führen.Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, Anh. zu § 52 Rn. 59  Demnach ist bei einer solchen unmittelbaren Beeinflussung ein strengerer Maßstab an das Verschuldenserfordernis zu stellen.BGH, Urt. v. 20.03.1995 - II ZR 205/94 (Düsseldorf)

- Beweislast

137Die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung des Schädigungsverbots obliegt der abhängigen GmbH.BGH, Beschluss v. 25.06.2008 - II ZR 133/07 (OLG Stuttgart)  Da jedoch die Minderheitsgesellschafter erfahrungsgemäß keinen detaillierten Überblick über die internen Verhältnisse der abhängigen GmbH haben, ist fraglich, ob es hier etwaiger Beweiserleichterungen bedarf.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 475  Dies gilt vor allem für Fälle der informellen Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen (z.B. bei bloß verbalen Ratschlägen an die Geschäftsführung), bei welchen es keinerlei Dokumentation bzw. Beweismaterial gibt. Im Rahmen der Diskussion um Beweiserleichterungen bzw. um eine Beweislastumkehr ist es geboten, eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Tatbestandsmerkmalen des Schadensersatzanspruchs zu treffen.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 475

138Infolgedessen besteht hinsichtlich des Merkmals der Veranlassung der schädigenden Einflussnahme eine Beweiserleichterung in Form einer Veranlassungsvermutung zugunsten der abhängigen Gesellschaft.Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 70 Rn. 145 f.  Nach dieser Wertung muss der Kläger also Umstände darlegen und ggf. beweisen „die die Annahme zumindest nahelegen, dass bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der GmbH über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt worden sind.“BGH, Urt. v. 29.03.1993 - II ZR 265/91 (Oldenburg) = NJW 1993, 1200 (1203)

139Schwierigkeit bereitet auch der Beweis des objektiven Pflichtverstoßes aufgrund mangelnder Einblicke über die interne Verhältnisse. Demnach nimmt der BGH hier sogar eine Beweislastumkehr an.BGH, Urt. v. 5.02.1979 – II ZR 210/76 = NJW 1980, 231 (232) – Gervais  Dies soll jedoch nicht gelten, wenn die schädigende Einflussnahme auf einem Gesellschafterbeschluss beruht, da in diesen Fällen eine Beweisnot nicht erkennbar ist.Liebscher, in: MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 482  Schließlich bejaht die Rechtsprechung auch beim Merkmal des Verschuldens eine Beweislastumkehr.BGH, Urt. v. 5.02.1979 – II ZR 210/76 = NJW 1980, 231 (232) – Gervais

- Anspruchsgegner

140Anspruchsgegner des Schadensersatzanspruchs der abhängigen GmbH ist das herrschende Unternehmen. Teilweise wird auch noch eine Haftung der Organe der Konzernspitze unter Verweis auf § 317 Abs. 3 AktG bejaht.Altmeppen, in: Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 78 ff.   Dies ist jedoch abzulehnen.Zu den Einzelheiten Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 490 f.  Neben dem herrschenden Unternehmen können jedoch die Organe der abhängigen Gesellschaft nach § 43 GmbHG schadensersatzpflichtig sein, da sie anders als beim herrschenden Unternehmen ihrer Gesellschaft gegenüber an Rücksichtnahmepflichten gebunden sind.Liebscher, in: MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 492

- Aktivlegitimation

141Anspruchsberechtigt ist die abhängige GmbH. Um den Anspruch geltend zu machen, benötigt es einen Gesellschafterbeschluss gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG, bei dessen Fassung das herrschende Unternehmen einem Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegt.Leuschner, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, Anh. nach § 77 GmbH-Konzernrecht, Rn. 123; Leuering/Rubner, in: NJW-Spezial 2018, 527 f. Minderheitsgesellschafter können die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft im Wege der actio pro socio geltend machen.https://gmbhg.kommentar.de/Abschnitt-2/Juristische-Person-Handelsgesellschaft/Allgemeines#33 

142Die Gesellschaftsgläubiger können die Ansprüche des abhängigen Unternehmens erst nach Pfändung und Einziehung zur Überweisung nach §§ 829, 835 ZPO verfolgen.Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, Anh. § 318 Rn. 32 Unter Voraussetzungen der §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 4 S. 3 AktG (analog) können die Gläubiger zudem von dem herrschenden Unternehmen Leistung verlangen, falls eine Befriedigung durch die abhängige GmbH nicht mehr zu erwarten ist.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 55

bbb) Unterlassungsansprüche

143Zusätzlich zu den Ansprüchen auf Schadensersatz kommen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen die Geschäftsführung sowohl der abhängigen Gesellschaft als auch des herrschenden Unternehmens in Betracht.Vogt, in: Prinz/Winkeljohann, Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 21 Die GmbH im Konzern, Rn. 314  Die Ansprüche richten sich gegen bevorstehende oder bereits eingetretene erstmalige oder wiederholte Maßnahmen, welche gegen die Treuepflicht verstoßen. Ziel dieser Ansprüche kann unter anderem der Widerruf von schädigenden Äußerungen, die Rückgängigmachung von Gesellschafterbeschlüssen oder die Rückführung von Umorganisation sein.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 67  Die Durchsetzung dieser Ansprüche erfolgt unter den gleichen Voraussetzungen, wie die Schadensersatzansprüche.Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, Anh. § 13 Konzernrecht der GmbH, Rn. 52

ccc) Weitere Rechtsfolgen

144Gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG hat das abhängige Unternehmen gegenüber dem herrschenden Unternehmen einen Erstattungsanspruch, sofern Zahlungen geleistet wurden, die gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz aus § 30 GmbHG verstoßen. Im Gegensatz zu § 311 AktG setzt die Ausgleichspflicht gem. §§ 30, 31 keine konkrete „Veranlassung“ durch herrschende Gesellschafter voraus.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 71  Rechtsfolge von § 31 I GmbHG ist nur Erstattung der Zahlung, nicht jedoch Schadensersatz. Damit ist die Vorschrift nicht geeignet, wenn nur Vorteile „auf Kosten“ der Gesellschaft erlangt wurden, ohne dass diese zu einem unmittelbaren Vermögensnachteil geführt haben.Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. Die GmbH im Unternehmensverbund, Rn. 73

145Ansprüche des abhängigen Unternehmens dogmatisch über die Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag, speziell aus angemaßter Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB, zu konstruieren, werden in der Regel an der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen scheitern. Insbesondere fehlt hier das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts sowie die Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn.Liebscher, in: MüKo GmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 512 f.  Nach überwiegender Meinung wird § 687 Abs. 2 BGB bei der Verletzung bloßer vertraglicher Pflichten nämlich nicht angewendet.Gehrlein, in: BeckOK, BGB, § 687 Rn. 5

146Des Weiteren unterliegen der Treuepflicht widersprechende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beschlussanfechtung analog § 243 AktG durch die Gesellschafter als auch Organe des abhängigen Unternehmens.Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, Anh. § 318 Rn. 31

cc)     Gläubigerschutz

147Den Gläubigern haftet zunächst „nur“ das abhängige Unternehmens, da dieses in der Regel auch der alleinige Schuldner ist. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass die Gläubiger keine Haftungsgrundlage haben, sofern das Vermögen der abhängigen Gesellschaft in Folge schädigender Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen geschmälert bzw. ausgehöhlt wird.Kiefner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 3  Aus diesem Grund wurden seitens Rechtsprechung und Literatur verschiedene Haftungsmodelle entwickelt. Denn anders als im Vertragskonzern kommt im faktischen GmbH-Konzern nur eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht. Bei Verstößen gegen das Schädigungsverbot entstehen Ersatzansprüche der Untergesellschaft gegen das herrschende Unternehmen, was reflexartig auch dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dient, da das Vermögen der abhängigen GmbH dadurch wieder vermehrt wird.Liebscher, in: MüKo, GmbHG, 3. Aufl. 2018, Anh. zu § 13: Die GmbH als Konzernbaustein, Rn. 505

148Liegt allerdings eine Einmann-GmbH vor oder billigen die Minderheitsgesellschafter die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens, so erweist sich der Gläubigerschutz als schwierig. In solchen Fällen sind die Gläubiger vor allem auf den Schutz durch die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG angewiesen.Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019, Anh. § 318 Rn. 33  Dieser Schutz greift jedoch nur, sofern ein Gesellschafter unmittelbar etwas aus dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen erhalten hat. Bei anderen Maßnahmen des herrschenden Unternehmens – wie z.B. dem Eingriff in die Geschäftschancen der Untergesellschaft – kommen die Kapitalerhaltungsvorschriften schon auf Grund des Wortlautes der §§ 30, 31 GmbHG nicht in Betracht.https://gmbhg.kommentar.de/Abschnitt-2/Juristische-Person-Handelsgesellschaft/Allgemeines#14  Die Frage nach dem passenden Haftungsmodell zugunsten der Gläubiger im faktischen GmbH-Konzern war lange Zeit nicht abschließend geklärt, hat durch die Trihotel-Entscheidung jedoch eindeutig an Kontur gewonnen (Existenzvernichtung). Seitdem gilt das Modell der allgemeinen deliktischen Haftung aufgrund Existenzvernichtung.https://gmbhg.kommentar.de/Abschnitt-2/Juristische-Person-Handelsgesellschaft/Allgemeines#16


Fußnoten